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MOBILITÄT UND MUSIKALISCHER WANDEL: MUSIK UND MUSIKFORSCHUNG IM INTERNATIONALEN KONTEXT

Internationale Tagung der Gesellschaft für Musikforschung anlässlich des 50-jährigen Bestehens der musikgeschichtlichen
Abteilung des Deutschen Historischen Instituts in Rom vom 2. bis 6. November 2010

—>  Programm / Tagungen der Fachgruppen / FG Kirchenmusik

FG Kirchenmusik

Internationale Kirchenmusik und ihre Verbindungen zum mitteleuropäischen Raum

 

 

Teil 1

 

Donnerstag, 4. November 2010

9.00 - 17.00 Uhr
Pontificio Istituto di Musica Sacra, Sala Refice

 

 

Programm

 

09.00      Verbindungslinien kirchenmusikalischen Schaffens zwischen Italien und

»Germanien« vom (späten) 16. bis zum 18. Jahrhundert

Friedrich Wilhelm Riedel (Mainz)

zum Abstract

 

09.30      Die kirchenmusikalischen Bezüge der Gemeinschaftsbegriffe »Itali*« und

»Germani*« im lateinischen Musikschrifttum des 16. Jahrhunderts

Gunnar Wiegand (Giessen)

zum Abstract

 

10.00      Italien in Tirol? Zur Musica sacra an den Höfen zu Innsbruck und Brixen im

17. Jahrhundert

Hildegard Herrmann-Schneider (Innsbruck)

zum Abstract

 

10.30      Kaffeepause

 

11.00      Zwischen Theater und Frömmigkeit. Psalmforschungsprojekt zum 17. und

18. Jahrhundert, Venedig/Venezien

Helen Geyer / Birgit Wertenson (Weimar)

zum Abstract

 

11.30      Marianische Antiphonen an den venezianischen Ospedali des 18.

Jahrhunderts

Alan Dergal Rautenberg (Weimar)

zum Abstract

 

12.00      Mittagspause

 

14.00      Norditalienische Choraldrucke und ihre Rezeption im heutigen Österreich

Franz Karl Prassl (Graz)

 

14.30      Zur Rezeption des römischen Kirchenmusikstils im barocken München

Siegfried Gmeinwieser (Regensburg)

 

15.00      Die Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra in Augsburg - ein Beispiel der

Pflege italienischer Musik in Süddeutschland

Tobias Rimek (Leipzig)

zum Abstract

 

15.30      Kaffeepause

 

16.00      Gibt es eine Dresdner Palestrina-Tradition?

Gerhard Poppe (Dresden/Koblenz)

zum Abstract

 

16.30      The influences of Italian church music in Mikolay Zieleński's (16th/17th

century) and Grzegorz Gerwazy Gorczycki's (1665-1734) creativity

Ewa Nidecka (Rzeszow)

zum Abstract

 

 

Teil 2

 

Freitag, 5. November 2010

9.00 - 17.00 Uhr
Pontificio Istituto di Musica Sacra, Sala Refice

 

 

Programm

 

09.00      Die Neapolitanische Schule und ihre Werke im Kloster Jasna Góra in

Tschenstochau

Remigiusz Pospiech (Oppeln)

zum Abstract

 

09.30      Rezeption von G.P. da Palestrina in Schlesien in der zweiten Hälfte des 19.

und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Eine Bestandsaufnahme

Peter Tarlinski (Oppeln)

zum Abstract

 

10.00      Der Weg der italienischen Kirchenmusik nach Osten. Von Italien über

Bortnianski nach Galizien

Luba Kyyanowska (Lemberg)

zum Abstract

 

10.30      Kaffeepause

 

11.00      Einflüsse der italienischen Kirchenmusik auf das Schaffen der

»peremyschlischen Schule«

Olga Popowicz (Rzeszow)

zum Abstract

 

11.30      Torcellans Missa Sancti Gerardi (1901). Die kirchenmusikalischen

Beziehungen zwischen dem Banat und Italien

Franz Metz (München)

zum Abstract

 

12.00      Mittagspause

 

14.00      Italienische Kirchenmusik im 19. Jahrhundert in Leipzig

Helmut Loos (Leipzig)

zum Abstract

 

14.30      Fachgruppensitzung

 

Abstracts

Friedrich Wilhelm Riedel (Mainz): Verbindungslinien kirchenmusikalischen Schaffens zwischen Italien und »Germanien« vom (späten) 16. zum 18. Jahrhundert

 

In Mitteleuropa, genau genommen in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches »durch Germanien«, wie es damals offiziell lautete, wirkten sich die Beschlüsse des Konzils von Trient und die daraus resultierenden Reformen hinsichtlich Erziehung, Studien, Liturgie und Kirchenmusik in den Bistümern und bei den kirchlichen Orden erst seit dem Ende des 30jährigen Krieges aus. Die Verbindungen verschiedener Art zwischen Italien und Germanien kamen in vielfältiger Weise zum Ausdruck, die durch die Napoleonischen Kriege zu ein abruptes oder allmähliches Ende fanden beziehungsweise in andere Kanäle geleitet wurden. - Das Referat wird gegliedert nach sieben Gesichtspunkten, die jeweils anhand spezieller Beispiele demonstriert werden sollen:
1. Wallfahrten, Karnevalstouren und Studienreisen hochfürstlicher Persönlichkeiten (Kaiser Ferdinand II und Karl VII., Gustav III. v. Schweden)
2. Generalkapitel und Statuten von Kanonikerstiften, handschriftliche Überlieferung in Stiften mit stabilitas loci (Augustinerchorherren, Prämonstratenser, Benediktiner, Zistzerzienser etc.)
3. Produktive Tätigkeiten in Orden ohne stabilitas loc: Mendikanten (Franziskaner, Minoiriten, Karmeliter): Verbreitung bis nach Polen)
4. Pädagogische Tätigkeit: Jesuiten (Universitäten, Gymnasien bis in nördliche Regionen, Einfluss des Collegium Germanicum)
5. Musikdruck und Musikalienhandel von Venedig und Rom nach Augsburg oder München
6. Studienreisen von Musikern oder Literaten (Schütz, Buchner, Fux, Händel, Mozart, Sterkel, Kraus, Goethe, Heinse etc.
7. Anstellung italienischer Musiker und Komponisten an geistlichen und weltlichen Residenzen (München (Steffani, Bernabei, Torri), Wien (Caldara, Salieir), Dresden (Bontempi, Lotti), Stuttgart (Jommelli), Augsburg-Koblenz (Sales) etc. NB. Stockholm (Uttini)!
Die Beschränkung dieser Verbindungen oder ihr gänzliches Versiegen wurden hervorgerufen durch die Aufhebung zahlreicher Klöster wie auch durch die Mediatisierung vieler weltlicher Herrschaften aufgrund des Wiener Kongresses, nicht zuletzt aber durch den in den Befreiungskriegen entwickelten Nationalstolz der Deutschen und die damit verbundene Antipathie gegen alles Italienische.

 

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Gunnar Wiegand (Giessen): Die kirchenmusikalischen Bezüge der Gemeinschaftsbegriffe »Itali*« und »Germani*« im lateinischen Musikschrifttum des 16. Jahrhunderts

 

Weder Italien, noch Mitteleuropa waren in der frühen Neuzeit Begriffe eindeutig-definierter politischer Territorien. Die Territorien südlich der Alpen waren durch unterschiedlichste politische Konstellationen geprägt: weite Teile gehörten zum Heiligen Römischen Reich, andere Gebiete zum Kirchenstaat oder weiteren politischen Einheiten. Noch schwieriger gestaltet sich die Frage nach dem mitteleuropäischen Raum und den nordalpinen Territorien des Imperiums. Eine differenzierte, grundlegende Betrachtung der politischen und geographischen Gemeinschaftsbegriffe erschien mir von daher notwendig, um dem Rahmen des Symposiums ein differenziert-begriffliches Fundament zu verleihen.

Die aufgeworfenen Grundsatzfragen seien – auf Grund der zeitlichen Begrenzung des Vortrags – in dreifacher Hinsicht auf das Thema des Symposiums hin eingeschränkt: im Zentrum stehen erstens die Gemeinschaftsbegrifflichkeiten *Ital und *Europ, sowie naheliegende Begriffe wie *German, *Theuton, *Slav, *Roma, *Tusc, *Lombard, etc. Zweitens sollen ausschließlich die Lesarten ausgewählter Werke im lateinischen Musikschrifttum des 14.  bis 16. Jahrhunderts untersucht werden (Beldomandi, Boen, Gaffurius, Legrense, Salinas, u.a). Dieser spezielle Corpus des Musikschrifttums wird dann mit anderen historischen Quellen in Bezug gesetzt. Drittens soll der Versuch unternommen werden, aus der Bezugnahme des Musikschrifttums auf Gemeinschaftsbegriffe, Kenntnisse der jeweiligen Kirchenmusik zu gewinnen.

 

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Hildegard Herrmann-Schneider (Innsbruck): Italien in Tirol? Zur Musica sacra an den Höfen zu Innsbruck und Brixen im 17. Jahrhundert

 

Im Jahr 1626 ehelicht der Tiroler Landesfürst Erzherzog Leopold V. (1586-1632, reg. ab 1619) die Florentiner Prinzessin Claudia de’Medici (1604-1648). So überrascht es nicht, dass nun am Hof zu Innsbruck italienisches Flair Einzug hielt, dass hier der Kultur und insbesondere der Musik ein hoher Stellenwert zukam. Der Innsbrucker Hofkapellmeister Johann Stadlmayr (um 1575-1648), im Amt seit 1607, beschritt allerdings bereits in seinen 1616 zu Wien erschienenen Missae 12 vocum cum triplici basso ad organum den in Italien vorgezeigten Weg, in der Kirchenmusik instrumentale Begleitung gegenüber dem bislang üblichen colla parte zu verselbstständigen. In seinen Missae concertatae, Innsbruck 1631, kommt der neue Stil von Monodie und prachtvoller, mehrchöriger konzertierender Kirchenmusik vollends zur Geltung. Stadlmayr entwickelte die Missa concertata außerhalb Italiens nachhaltig weiter. Sein Amtsnachfolger Ambrosius Reiner (1604-1672) schließlich übertraf noch die Idee der Missa concertata in seinen Missae quinque vocum, Innsbruck 1655, wenn er Vokalsoli, Chor und Instrumente völlig gleichrangig stellt.
Bekanntlich setzte Ludovico Viadana (um 1560-1627) mit seinen Cento concerti ecclesiastici op. 12, Venedig 1602, in der Kirchenmusik neue Maßstäbe. Zu den ersten Komponisten überhaupt, die deren Intentionen aufgreifen, gehört der junge Hof- und Domkapellmeister Christoph Sätzl (1592-1655) am fürstbischöflichen Hof zu Brixen (Südtirol): Er legt als Erstlingswerk seine Motettensammlung Ecclesiastici concentus, Innsbruck 1621, vor. Deutlich zeigt sich darin italienischer Einfluss.
Schon bald wird also in Tirol der um 1600 in Italien vollzogene musikalische Stilwandel manifest, mit eigener Produktion an Kirchenmusik, repräsentativ im internationalen Kontext.

 

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Helen Geyer / Birgit Wertenson (Weimer): Zwischen Theater und Frömmigkeit. Psalmforschungsprojekt zum 17. und 18. Jahrhundert, Venedig/Venezien

 

Die Erforschung der Psalmproduktion des 17. und 18. Jahrhunderts steht im Mittelpunkt eines von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten Forschungsprojektes, welches hier vorgestellt wird. An den venezianischen Frauenkonservatorien wurden spannende Experimente der Psalmvertonungen entwickelt, die sowohl allen Aspekten stilistischer Modernität, aber auch dem Bedürfnis einer theatralischen Darstellung nachzukommen hatten. In einer teilweise singulären Raumarchitektur entwickelten sich Modelle der Dramatisierung, aber auch einer ganzheitlichen und theologisch hochinteressanten Interpretation des Psalmtextes, die zweifelsohne Schule machte. Anhand einiger Beispiele werden das Projekt und charakteristische Phänomene aufgezeigt.

 

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Alan Dergal Rautenberg (Weimar): Marianische Antiphonen an den venezianischen Ospedali des 18. Jahrhunderts

 

Innerhalb der italienischen Kirchenmusik fand die Marianische Antiphon gro1e Verbreitung im 18. Jh. Sie wurde vor allem an den vier venezianischen Ospedali Grandi gepflegt, wo sie, zusammen mit der Solomotette, eine der beliebtesten solistischen Gattungen dieser Zeit darstellt. Beide Formen sind eng miteinander verwandt und wurden oft als aquivalent gewertet. Dennoch lassen sie sich anhand ihrer liturgischen Funktionen und eigenartigen Merkmale genau voneinander abgrenzen. Trotz ihrer festen, charakteristischen Eigenschaften, sind beide Gattungen den musikalischen Entwicklungen ihrer Zeit ausgesetzt und haben am stilistischen Wandel teil. Dabei dienen sie teilweise als Experimentierfeld unterschiedlicher klein- und gro1formatiger, sowie harmonischer Strukturen, wie sie auch in den gri1eren Kirchenwerken (Psalmkompositionen, Oratorien) zu finden sind. Auch in der Besetzung und in der Vokalfuhrung beschreiten sie neue Wege. Ein genauer Blick in die Bestande des Ospedale della Pieta (unter Berucksichtigung weiterer Werke der anderen Ospedali) soll die Feststellung typischer Merkmale ermiglichen und die Entfaltung der Marianischen Antiphon als Gattung im 18. Jh. veranschaulichen. Im Mittelpunkt der Analyse stehen Werke von Vivaldi, Porpora, Bernasconi, Latilla, Sarti, Traetta und Furlanetto.

 

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Tobias Rimek (Leipzig): Die Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra in Augsburg - ein Beispiel der Pflege italienischer Musik in Süddeutschland

 

Die Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra zu Augsburg zählt zu den bedeutendsten Zentren der Musikpflege im süddeutschen Raum zwischen 1560 und 1630. Bedingt wurde diese hohe kulturelle Stellung des Klosters nicht nur durch seinen prominenten Standort in der Stadt der Reichstage, sondern auch durch seine enge Verbindung zu der Kaufmannsfamilie Fugger, die sich in St. Ulrich und Afra sowohl trauen als auch beerdigen ließen, und nicht zuletzt durch seine guten Beziehungen zu Orlando di Lasso. Das heute nachweisbare mehrstimmige Repertoire der Abtei umfasst über 30 Chorbücher und ca. 6 Stimmbuchsätze. Deren Inhalt bilden Messordinarien, – proprien, Totenmessen, Vesper– und Hymnenvertonungen sowie Motetten für unterschiedliche liturgische oder paraliturgische Anlässe. Der Großteil der Komponisten, abgesehen z.B. von Lasso oder Palestrina stammt aus Norditalien. Insbesondere ragen hier Gianmatteo Asola, Chamaterò di Negri, Giovanni Corce und Pietro Lappi hervor, Komponisten, die heute in der Musikforschung kaum noch wahrgenommen werden. Gemeinsam ist diesen ein den Vorstellungen des Tridentinums adäquater Kompositionsstil. St. Ulrich und Afra gibt also ein gutes Beispiel ab für den intensiven interkulturellen (wenn auch einseitigen, denn nur von Süd nach Nord) Austausch zwischen Italien und Süddeutschland. Innerhalb von kurzer Zeit gelangte die damals neueste Musik über die Alpen nach Augsburg. Das starke Interesse an den transalpinen Kompositionen ist zugleich als Reaktion auf das Konzil von Trient zu sehen, dessen Beschlüsse auch jenseits der Alpen begannen Fuß zu fassen. Dadurch wird auch deutlich, weshalb die heute eher geringgeschätzten Komponisten eine damals so starke Resonanz hervorzurufen vermochten.

 

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Gerhard Poppe (Dresden/Koblenz): Gibt es eine Dresdner Palestrina-Tradition?

 

»Palestrina« und »Dresden« sind in der europäischen Musikgeschichte Namen, die auf den ersten Blick wenig oder gar nichts miteinander zu tun haben. Ein über erste Eindrücke hinausreichender Blick in die Quellen zeigt aber, daß einige Werke von Palestrina sowohl in der protestantischen Hofkirchenmusik des 17. Jahrhunderts als auch später – nach dem Konfessionswechsel Augusts des Starken und seines Sohnes – in den katholischen Hofgottesdiensten mit großer Selbstverständlichkeit Verwendung fanden. Diese Praxis reichte bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus und war zu keiner Zeit Ausdruck restaurativer Tendenzen, sondern orientierte sich hinsichtlich der Auswahl der Werke primär an den liturgischen und zeremoniellen Anforderungen.

 

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Ewa Nidecka (Rzeszow): The influences of Italian church music in Mikolay Zieleński's (16th/17th century) and Grzegorz Gerwazy Gorczycki's (1665-1734) creativity

 

M. Zieleński is a Polish composer living at the turn of the XVI and XVII century. In his creativity we can see influences of Italian church music. He was the first Polish composer who used cori spezzati technique developed at Venetian St. Mark's Cathedral by G. Gabrieli during the XVI century. His church compositions were published in Venice in 1611, wich consist of two parts: I Ofertoria totius anni, II Comuniones totius anni.

Influences of Italian church music are also visible in G.G. Gorczycki’s (ab. 1665-1734) creativity. He created under the influence of Rome’s school, using different composer’s techniques. He especially used technique nota contra notam and sophisticated polyphony with imitation-canon’s structure.

 

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Remigiusz Pospiech (Oppeln): Die Neapolitanische Schule und ihre Werke im Kloster Jasna Góra in Tschenstochau (Czestochowa)

 

Unter dem Begriff Neapolitanischen Schule verstehen wir allgemein mehrere Generationen von Komponisten, die in der 2. Hälfte des 17. und im 18. Jahrhunderts in Neapel tätig waren. Die größten ihrer Erfolge sind mit der Oper verbunden, dennoch spielten sie in der geistlichen Musik ebenfalls eine wichtige Rolle. Den Einfluss des neapolitanischen Stils finden wir bei den Komponisten des späten Barocks und des Klassizismus sowohl in katholischen als auch evangelischen Kreisen. Dies belegen die Musikbestände aus dem Archiv der Pauliner Patres im Kloster Jasna Góra (Heller Berg).

Neben der religiösen und seelsorglichen Bedeutung, bildete der Helle Berg Jahrhunderte lang ein aktives kulturelles Zentrum. Im Kloster der Pauliner ertönte immer eine in seiner stilistischen Vielfalt kunstvolle und in seiner Form reich ausgeprägte Musik. Diese Tatsache belegen eindrucksvoll die aufbewahrten Archivalien, welche über ein paar Jahrhunderte gesammelt wurden. Es sind über 2000 Handschriften sowie über 300 Drucke vorhanden, was insgesamt um die 3000 Kompositionen ergibt. Demnach enthält das Archiv von Jasna Góra Polens größte Musikaliensammlung und ist gleichzeitig eines der umfangreichsten in Europa. Ihr besonderer Wert liegt vor allem darin, dass sie nicht nur Werke der Klosterkomponisten enthält, sondern auch viele Musikwerke von anderen polnischen sowie ausländischen Tonkünstlern bewahrt. Von den letztgenannten bilden die Vertreter der Neapolitanischen Schule eine bedeutende Gruppe, die ihren Kompositionsstil in Polen bekannt gemacht hat. Zu nennen sind hier vor allem:  Pasquale Anfossi, Baltasare Galuppi, Niccolo Jomelli, Giovanni Paisiello, Niccolo Piccini und Tomasso Traetta. Neben ihnen gibt es im Musikarchiv des Klosters Jasna Góra auch Musikwerke der weniger bekannt gewordenen italienischen Meister und der populären Vertreter des neapolitanischen Stils aus anderen Ländern wie dies z.B. Johann Adolf Hesse oder Giuseppe Bonno sind. In diesem Stil hat auch seine Werke der berühmteste und bedeutendste Klosterkomponist der Musikkapelle von Jasna Góra - Marcin  Józef Żebrowski (Mitte des 18. Jahrhunderts) geschrieben.

 

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Peter Tarlinski (Oppeln): Rezeption von G.P. da Palestrina in Schlesien in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Eine Bestandsaufnahme

 

Die Bewegung zur Erneuerung der Kirchenmusik im 19. Jahrhundert hat das musikalische Ideal für die feierlichen Gottesdienste im gregorianischen Choral und der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts gesehen. Zur Leitfigur der Erneuerung wurde G.P. da Palestrina erhoben. Der aus Schlesien stammende  Arzt und Geistliche Karl Proske hat in Regensburg Mitte des 19. Jahrhunderts Palestrina ein musikalisches Denkmal gesetzt, indem er seine Werke publiziert hat. Welche Aufmerksamkeit gewann der berühmteste Komponist der Römischen Schule in Schlesien? Wie wurde er von den Vertretern des kirchlichen Musiklebens in Schlesien eingeschätzt? Welche Bedeutung hatten seine Kompositionen für die liturgischen Zeremonien am Dom zu Breslau und in anderen Teilen des schlesischen Landes? Eine wissenschaftliche Bearbeitung dieser Fragen steht noch an. Daher bildet diese Ausführung eine Bestandsaufnahme der bereits vorliegenden Angaben. Sie möge zugleich als eine Anregung für weitere Untersuchungen zur Rezeption der italienischen Kirchenmusik in Schlesien dienen.

 

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Luba Kyyanowska (Lemberg): Der Weg der italienischen Kirchenmusik nach Osten. Von Italien über Bortnianski nach Galizien

 

Ukrainische professionelle geistliche Musik entwickelte sich unter dem Einfluß italienischer Mu­sik erst im XVIII Jahrhundert. Früher herrschten hier vorzugsweise byzantinische Kanonen des Kirchengesanges, welche auf den nationalen Grund übertragen wurden und mit den heimischen Volkstraditionen zusammengewirkt sind. Als wichtigste Gattung, welche von den neuen westeuropäischen, vor allem italienischen Orientieren in der ukrainischen Kirchenmusik zeugte, betrachtet man ein sog. geistliches Konzert. Seine bemerkenswerten Autoren, vor allem Dmytro Bortnianis´kyj (1751-1825) und Maxym Berezows´kyj (1745-1777), studierten in Italien (Berezows´kyj bei Padre Martini in Bologna (1769-1774), Bortnians´kyj bei Baltasare Galuppi in Venedig (1769-1779), deswegen transformierten italienische Traditionen der geistlichen Musik auf individuelle Weise und schufen den Grund für die weitere Evolution ukrainischer Kirchenmusik und weltlicher Gattungen.

 

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Olga Popowicz (Rzeszow): Einflüsse der italienischen Kirchenmusik auf das Schaffen der »peremyschlischen Schule«

 

Die Peremyschlische Schule formierte sich in Galizien (in der Stadt Peremyschl) im ersten Drittel des XIX Jahrhunderts und wurde hauptsächlich durch die Werke von Mychajlo Werbyts´kyj (1815 – 1870), Iwan Lawriws´kyj (1822 – 1873) und Werbyts´kys Schüler Wiktor Matjuk (1852 – 1912) repräsentiert. Weil alle Vertreter dieser Schule zum griechisch-katholischen Priestertum gehörten, besaßen die Kirchengattungen eine bedeutende Stelle in ihrem Schaffen. Italienische Einflüsse sind in ihrem Schaffen auf drei Weisen durchgedrungen: über manche Positionen des Repertoires der Chorkapelle am peremyschlischen griechisch-katholischen Dom; über unmittelbare Bekanntschaft mit den italienischen Opern und Liedern, welche im galizischen Zentrum Lemberg (Lviv) ständig aufgeführt sind; endlich, über die Kirchenmusik von Dmytro Bortnians´kyj, welche als wichtigste Quelle fast aller nachfolgenden ukrainischen Kirchenopera dienten.

 

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Franz Metz (München): Torcellans Missa Sancti Gerardi (1901). Die kirchenmusikalischen Beziehungen zwischen dem Banat und Italien

 

Die Gründung der Banater (Tschanader) Diözese durch den aus Venedig stammenden Benediktiner Gerard von Sagredo im Jahre 1030 kamen die ersten italienischen Einflüsse auch im Bereich der Kirchenmusik in diesen südosteuropäischen Raum. Durch die von ihm gegründete Schule von Morisena gelangten Gelehrte ins Banat, die der Kirchenmusik im damaligen Ungarn einen großen Aufschwung verliehen.

Auch nach dem Sieg gegen die Osmanen (1716) blühten die Beziehungen zu Italien wieder auf: Josef (Giuseppe) Gebler komponierte 1835 in Pizzighettone sein Quintett, dem Gouverneur Graf Coroni wurde eine Serenade gwidmet und der Temeswarer Domkapellmeister Desiderius Jarosy widmete Perosi in Temeswar mehrere Konzerte und Vorträge. Torcellan komponierte um 1901 eine Messe zu Ehren des hl. Gerhard anlässlich des Besuches des Temeswarer Bischofs Alexander von Dessewffy in Venedig.

Die kirchenmusikalischen Beziehungen zwischen dem Banat und Italien haben seit der Wende von 1989 eine neue Entwicklung erfahren: durch den Einfluss zahlreicher italienischer Geschäftsleute und deren Niederlassungen im Banat - besonders in Temeswar (genannt auch »Little Italy«) werden nun historische Orgeln renoviert und die Charakteristiken aktueller italienischer Kirchenmusik sind auch in Kirchen dieser Region zu beobachten.

 

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Helmut Loos (Leipzig): Italienische Kirchenmusik im 19. Jahrhundert in Leipzig

 

Ein Zentrum der Bewegung für die alte Musik war Leipzig nicht. Bei der Ausbildung einer spezifisch bürgerlichen Musikkultur gingen wesentliche Impulse von Leipzig aus, Gewandhausorchester und Musikverleger hatten großen Anteil an der Durchsetzung des Kanons emphatischer Kunstmusik mit Beethoven an der Spitze, der nicht nur das deutsche Musikleben in der Folgezeit bestimmt hat. Alte Musik kam nach kleineren Anfängen erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts stärker zum Zuge, dabei war die italienische Kirchenmusik ein wesentlicher Bereich eines historischen Kurses, der aus Gründen der Bildung mit entsprechender theoretischer Kommentierung in das Musikleben eingebracht wurde. Carl Riedel mit seinem Gesangverein war einer der Protagonisten dieser Bewegung, die völlig losgelöst von den ursprünglichen Wurzeln die Kirchenmusik als historische Zeugnisse einer teleologisch ausgerichteten Musikentwicklung rezipierte.

 

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