FG Aufführungspraxis und Interpretationsforschung
Interpretationsforschung - Probleme, Methoden, Aufgaben
Freitag, 5. November 2010
09.00 - 13.00 Uhr
Deutsche Schule Rom, Musiksaal
Programm
09.00 Einführung
Thomas Seedorf (Karlsruhe), Jeroen van Gessel (Detmold/Paderborn)
09.15 Exekution, Interpretation, Performance: Zur Begriffsgeschichte
musikalischer Aufführung seit dem 18. Jahrhundert - eine Skizze
Hermann Danuser (Berlin)
10.15 Kaffeepause
10.30 Vorträge und Diskussion
Zur Bedeutung der Bearbeitungspraxis für die historische Aufführungspraxis. Einige Thesen
Christine Siegert (Bayreuth)
À la recherche du son perdu - Probleme und Methoden historischer Gesangsforschung
Thomas Seedorf (Karlsruhe)
Was dokumentiert ein Tonträger? Überlegungen zur Auswertung einer widerspenstigen Quelle
Jeroen van Gessel (Detmold/Paderborn)
12.00 Offene Diskussion über die Arbeit der Fachgruppe
Abstracts
Hermann Danuser (Berlin): Exekution, Interpretation, Performance: Zur Begriffsgeschichte musikalischer Aufführung seit dem 18. Jahrhundert - eine Skizze
Weil die konzeptuellen Dimensionen der Aufführung von Musik noch keineswegs in befriedigendem Maße geklärt sind, sind Grundlagen einer Begriffsgeschichte mit diesem Horizont zu schaffen, um den Wandlungsprozeß von einer Aufführungs- zu einer Interpretations- und Performanzkultur zu erhellen. Da im Handwörterbuch der musikalischen Terminologie die meisten einschlägigen Begriffe für Musikmachen seit dem 18. Jahrhundert unberücksichtigt geblieben waren – von Exekution, Ausführung, Aufführung, Vortrag über Reproduktion, Darstellung, Ausdruck, Wiedergabe, Nachschaffen, Dynamik bis zu Interpretation und Performance –, sind diese Termini semasiologisch zu erfassen, andererseits sollen sie nicht nur in ihrer abstrakt-allgemeinen Bedeutung, sondern auch onomasiologisch in ausgewählten kommunikativen, ästhetischen, institutionellen, kulturellen Kontexten erforscht werden. Geplant sind Studien zum 18., zum 19. und zum 20. Jahrhundert, bei denen Querschnitte »örtliche« Quellensituationen durchdringen, um im synchronen Fokus eines einzelnen Jahres bzw. einer Gruppe weniger Jahre Entwicklungen, Konstanten und Veränderungen innerhalb des Begriffsfeldes in dichter Beschreibung herauszustellen. In meinem Referat will ich an den Termini »Exekution«, »Interpretation«, »Performance« Aspekte eines begriffsgeschichtlichen Konfliktes sichtbar machen.
Christine Siegert (Bayreuth): Zur Bedeutung der Bearbeitungspraxis für die historische Aufführungspraxis. Einige Thesen
Die Forschung zur Aufführungspraxis älterer Musik stützt sich häufig auf präskriptive Quellen (Lehrbücher, Traktate etc.), die allerdings oftmals weniger die historische Praxis als historische Idealvorstellungen reflektieren. Hingegen lässt sich anhand erhaltener Aufführungsmateriale das Ereignis und der Verlauf der Aufführungen selbst fokussieren. Diese Quellen dokumentieren gleichzeitig die enormen Spielräume der Ausführenden bei der Interpretation älterer Musik.
Thomas Seedorf (Karlsruhe): À la recherche du son perdu - Probleme und Methoden historischer Gesangsforschung
Der Versuch, vokale Klangwelten der Zeit vor Erfindung der Tonaufzeichnung zu rekonstruieren, um sie auf der Grundlage ihrer historischen aufführungspraktischen Voraussetzungen sinnlich erfahr- und verstehbar zu machen, sieht sich mit anderen Problemen konfrontiert als die Rekonstruktion von Instrumentalklängen und Spieltechniken. Diese kann sich auf eine klar definierte Materialgrundlage stützen, die überlieferten Instrumente selbst, die man sowohl mit naturwissenschaftlichen Methoden hinsichtlich ihrer physischen Beschaffenheit untersuchen wie auch ausprobierend-musizierend im Hinblick auf ihre Klangmöglichkeiten erkunden kann. Die Stimme als historisches Instrument ist hingegen nicht in vergleichbarer Weise unmittelbar greifbar. Der Vortrag umreißt die Probleme, mit denen eine aufführungspraktische Rekonstruktion von Stimmklängen konfrontiert ist, stellt verschiedene Rekonstruktionsansätze vor und diskutiert sie im Hinblick auf ihre Bedeutung für die heutige Auseinandersetzung mit Musik verschiedener Epochen.
Jeroen van Gessel (Detmold/Paderborn): Was trägt der Tonträger? Überlegungen zur Auswertung einer widerspenstigen Quelle
Die Forschung alter Tonträger konzentriert sich zunehmend auf analytische Strategien, die eine genaue Rekonstruktion einer historischen Spielpraxis bezwecken. Aufgrund einer Evaluierung der Fruchtbarkeit solcher Herangehensweisen soll in diesem Vortrag versucht werden, zu klären, wie die Forschung alter Tonträger näher in eine historisch und analytisch ausgerichtete Musikforschung einbezogen werden kann.