Hauptsymposium II
Il mondo mediterraneo: Spazio musicale d'Europa
Donnerstag, 4. November 2010
9.00 - 17.30 Uhr
DHI Rom, großer Vortragssaal
Programm
09.00 Il mondo mediterraneo: spazio musicale d'Europa
Einführung
Laurenz Lütteken (Zürich), Markus Engelhardt (Rom)
09.15 Rom im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Aspekte einer
Gedächtnisgeschichte
Otto Gerhard Oexle (Berlin)
10.00 Byzantinische Musik und Musiktheorie im Italien des 15. Jahrhunderts
Michael Fend (London)
10.45 Kaffeepause
11.15 Zu neuer Hegemonie? »Palestrinalegende« und »Römische Schule« im
Kontext der römischen Musikpolitik nach dem Tridentium
Klaus Pietschmann (Mainz)
12.00 Musikalischer Mai auf Zypern: Zu einigen Chansons in Turin J.II.9
Nicole Schwindt (Trossingen)
12.45 Mittagspause
14.30 Der Mittelmeerraum und der Austausch nicht-schriftlicher Musikkulturen
Nico Staiti (Bologna)
15.15 Italienisch-spanische Musikbeziehungen in der frühen Neuzeit
Rainer Kleinertz (Saarbrücken)
16.00 Kaffeepause
16.30 Musiktheorie um 1600 und die Einflüsse der Welt: Athanasius Kircher
Melanie Wald (Zürich)
Abstracts
Michael Fend (London): Byzantinische Musik und Musiktheorie im Italien des 15. Jahrhunderts
Die unter dem Namen »Byzanz« summierte Musikkultur erschien Jacques Handschin als ein »statischer Kulturtypus«, von deren weltlichem Repertoire vergleichsweise wenig überliefert ist und deren Kirchengesang bereits seit dem 11. Jahrhundert an einer »Verarmung« (Hannick) litt. Ihre Konzentration auf die Melodik ist ein weiteres, wesentliches Merkmal zur Unterscheidung von der Musikentwicklung im westlichen Europa. Wie sind Musiker und Musiktheoretiker mit diesen kulturellen Gegensätzen in der Periode des Falls von Konstantinopel (1453) umgegangen?
Klaus Pietschmann (Mainz): Zu neuer Hegemonie? »Palestrinalegende« und »Römische Schule« im Kontext der römischen Musikpolitik nach dem Tridentinum
Durch die Formulierung sehr konkreter Kritikpunkte an der liturgischen Vokalpolyphonie frankoflämischer Prägung und den Aufbau Giovanni Pierluigi da Palestrinas zum Vertreter eines originär römischen Gegenmodells versuchte das Papsttum zu einer Neuausrichtung der gottesdienstlichen Mehrstimmigkeit zu gelangen. Das Referat geht der Frage nach, ob es sich hierbei um eine primär auf Italien bzw. den Kirchenstaat beschränkte Strategie handelt oder inwieweit sich hierin nicht vielmehr eine gesamtkirchliche Deutungshoheit im Sinne eines »Hegemoniestrebens« im kirchenmusikalischen Bereich abzeichnet.
Nicole Schwindt (Trossingen): Musikalischer Mai auf Zypern: Zu einigen Chansons in Turin J.II.9
Musikleben und Musikproduktion am Lusignan-Hof auf Zypern im späten 14. und frühen 15. Jahrhundert, für die der Turiner Kodex ein bemerkenswerter Zeuge ist, nötigen uns, über Kulturtransfer unter dem Blickwinkel der geografischen Reichweite nachzudenken. Kulturstiftender Raum erscheint hier als Gravitationszentrum, das weit weniger von fixen Topografien als vielmehr von mobilen Personen bedingt wird. Die Abstraktion vom Terroir bekundet eine eher vor-neuzeitliche Orientierung. Repertoires, Textgattungen und Kompositionsweisen von französischem Boden an die östliche Spitze des Mittelmeerraumes und wieder zurück nach Savoyen zu verschieben, kann einen gewissen Laborcharakter, eine gewisse Virtualität nicht verleugnen. Besonders deutlich wird dies an den mehrfach, fast überproportional vorhandenen Mailiedern, die nicht nur ihre ursprüngliche, soziopolitische Funktion einbüßten, sondern auch der klimatischen Begründung beraubt waren. Sie wurden als Chansongenre in einer Kultur neu interpretiert, die als Spiel um Charlotte de Bourbon und Anne de Lusignan inszeniert wurde.
Melanie Wald (Zürich): Musiktheorie um 1650 und die Einflüsse der Welt: Athanasius Kircher
Die Musurgia universalis von Athanasius Kircher mag, wie sein Oeuvre insgesamt, als hypertrophes Kuriosum erscheinen: Kompositionslehre, musikalische Natur- und Kulturgeschichte, akustisch-architektonisches Kompendium, Geheimlehre, Gattungsdiskussion, Missionierungshilfe und Weltentwurf in einem, lässt sich das Werk indes auch als ein besonder signifikanter Zeuge von Roms Anspruch verstehen, Erbe der mediterranen Antiken und geistliche Führungsmacht Europas zu sein.
Diese Lesart soll im Vortrag anhand verschiedener Blickwinkel durchgeführt werden. Dabei gilt es mit Seitenblicken auf das übrige Schrifttum und das berühmte römische Museum des Jesuiten vor allem zu fragen, in welcher Hinsicht Musik als ein Traditionskondensat gelten konnte, weshalb sie sich für die Durchführung eines Primatsanspruchs besonders eignete und wie das Wechselverhältnis zwischen römischem Synkretismus und dem Ausgriff in die Welt, das die Musurgia in Form von prä- wie deskriptiven Abschnitten durchzieht, zu bestimmen wäre.