Sektion III: Komponist, Werk, Biographie
Teil 1
Mittwoch, 3. November 2010
15.00 - 18.00
DHI, Musikgeschichtliche Abteilung, Lesesaal
Programm
15.00 Claudio Monteverdi und das Sonett
Sara Jeffe
15.30 Musikalische und kulturelle Identität in den Notationen des 'Alī Ufķī (Lwów
um 1610 – Istanbul um 1675)
Judith Haug
16.00 Römische Musik und Kunst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Zur
Erfolgsgeschichte von Arcangelo Corelli
Christoph Timpe
16.30 Kaffeepause
17.00 Die Marienantiphonen »Salve Regina«, »Te decus virgineum« und Antonio
Caldara
Warren Kirkendale
17.30 »Greatest that the world had ever known«: Giuseppe Sammartini
compositore e solista a Londra (1729–1750)
Mariateresa Dellaborra
Teil 2
Donnerstag, 4. November 2010
09.00 - 12.30
DHI, Musikgeschichtliche Abteilung, Lesesaal
Programm
09.00 Presenza inedita di Johann Christian Bach in alcune fonti napoletane
Annamaria Bonsante
09.30 Constanze Mozart als Nachlassverwalterin – kulturelles und
kommunikatives Handeln im europäischen Kontext
Gesa Finke
10.00 Neues zur Entstehung der »Biographie Wolfgang Amadeus Mozarts« von
Georg Nikolaus Nissen
Anja Morgenstern
10.30 Kaffeepause
11.00 Le sonate per fortepiano di L. van Beethoven: le edizioni curate da I.
Moscheles
Leonardo Miucci
11.30 Entzauberung der Musik. Beethoven, Schumann und die romantische
Ironie
Florian Kraemer
12.00 Migrazione e identità musicale: »Le Flibustier« di César Cui come
convergenza tra Europa e Russia
Vincenzina C. Ottomano
Teil 3
Donnerstag, 4. November 2010
15.00 - 18.00
DHI, Musikgeschichtliche Abteilung, Lesesaal
Programm
15.00 Andreas Halléns Korrespondenz mit Hans Herrig – Ein Beitrag zu den
deutsch-schwedischen Kulturkontakten im späten 19. Jahrhundert
Martin Knust
15.30 Hector in Rom. Eine Analyse eigen- und fremdanamnestischer Berlioz-
Zeugnisse aus epileptologischer Sicht
Dirk Matthias Altenmüller
16.00 Harold in Rom. Eine Analyse von Berlioz’ »Marche des pélerins«
Christian Berger
16.30 Kaffeepause
17.00 Franco Evangelistis Klavierstück »Proiezioni sonore« im Kontext der
Darmstädter Schule
Joachim Junker
17.30 Überlegungen zum Belcanto im Werk von Hans-Joachim Hespos
Gordon Kampe
Abstracts
Sara Jeffe (Heidelberg): Claudio Monteverdi und das Sonett
Kaum eine europäische Gedichtform hat eine ähnlich ungebrochene Erfolgsgeschichte vorzuweisen wie das Sonett. Seit dem frühen 13. Jh. verbreitete es sich vor allem durch die Gattungsbeiträge Petrarcas schnell über den gesamten italienischen Sprachraum und gelangte im Zuge des Petrarkismus ab dem 16. Jh. nach Frankreich, England und – etwas später – auch in deutschsprachige und andere europäische Gebiete, wo es trotz wiederholter Anfechtungen nach wie vor gepflegt wird. Nicht weniger bemerkenswert als seine literarische Rezeption ist jedoch seine Bedeutung für die Musik, wie es tausende Sonettvertonungen in verschiedenen Gattungen wie der Frottola, dem italienischen Madrigal, der französischen Chanson und dem deutschen Kunstlied bezeugen. Ein Höhepunkt der musikalischen Rezeption des Sonetts liegt dabei zweifellos im italienischen Madrigal, für das es Mitte des 16. Jh. vor allem in der Nachfolge Willaerts zur wichtigsten Textgattung und damit zum Experimentierfeld von Komponisten wie Rore, Wert oder Marenzio wurde.
Dabei stellte die starre, für das Sonett so charakteristische asymmetrische Strophenform Komponisten zu allen Zeiten vor eine besondere Herausforderung, die sich in der vielfältigen musikalischen Gestalt der Vertonungen widerspiegelt. Spielten bei den ersten Vertonungen in der Frottola und noch im frühen Madrigal vor allem formale Überlegungen eine Rolle, interessierten sich die Madrigalkomponisten in der Mitte des 16. Jh. mehr für inhaltliche Aspekte der Sonette. Als Claudio Monteverdi sich Anfang des 17. Jh. ernsthaft mit dem Sonett auseinanderzusetzen begann, war die stilistisch anspruchsvolle Gattung gerade zugunsten leichterer und kürzerer zeitgenössischer Dichtungen aus der Mode gekommen. Warum sich Monteverdi ausgerechnet zu dieser Zeit für das Sonett zu interessieren begann und in welcher Form die Sonettvertonungen seines 6. Madrigalbuchs (1614) auf kompositorische Traditionen im Umgang mit Sonetten reagieren, soll in dem Referat diskutiert werden.
Judith Haug (Unterschleißheim): Musikalische und kulturelle Identität in den Notationen des 'Alī Ufķī (Lwów um 1610 – Istanbul um 1675)
Der polnischstämmige osmanische Hofmusiker und Dolmetscher ‘Alī Ufḳī (Wojciech Bobowski) hat neben diversen anderen Werken drei Musikhandschriften hinterlassen, anhand derer sich Fragen nach musikalischer Identität in einzigartiger Weise nachvollziehen lassen. Eine Notationssammlung osmanischer Vokal- und Instrumentalmusik, ein Kompendium mit musikalischer Notation und Texten unterschiedlichster Art und der Beginn einer osmanischen Übertragung des Genfer Psalters sind Zeugnisse für transkulturelle Prozesse zwischen Europa und dem osmanischen Reich während des 17. Jahrhunderts.
In den Psalmen (F-Pbn Suppl. Turc 472), die um 1665 als Auftragsarbeit entstanden, sind ‘Alī Ufḳīs zwei distinkte, aber nicht zwangsläufig miteinander im Konflikt stehende Identitäten besonders deutlich sichtbar. Es war seine Aufgabe, zwischen zwei Sprachen zu vermitteln (als Übersetzer), zwischen zwei musikalischen Systemen (indem er jede der Genfer Melodien einem maḳām zuteilte) und zwischen zwei Religionen (indem er das calvinistische Gesangbuch für Muslime zugänglich machte).
Das Kompendium (F-Pbn Suppl. Turc 292, um 1650) umfasst auf 313 Blättern die ersten bekannten Aufzeichnungen osmanischer Musik durch einen osmanischen Musiker in westlicher Notation, europäische Kompositionen (v.a. geistliche Lieder), Lautentabulaturen und verschiedenerlei Texte in einer Vielzahl von Sprachen. Es ist ein einzigartiger Einblick in das, was um 1650 in İstanbul vorhanden war und auf den unterschiedlichsten Wegen dorthin gelangt ist.
Selbst ein unfreiwilliger Migrant, erhielt ‘Alī Ufḳī nach der europäischen Musikerziehung seiner Jugend eine vollständige osmanische Ausbildung. Das europäische Repertoire, das er aufzeichnete, kam wiederum durch die Migration Anderer – Diplomaten, Reisende, Forscher – zu ihm. Nicht zuletzt bedeutet die Niederschrift von Musik, die bisher mündlich überliefert worden war, eine bestimmte Identität dieser Musik festzuhalten.
Christoph Timpe (Rom): Römische Musik und Kunst in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts: Zur Erfolgsgeschichte von Arcangelo Corelli
Arcangelo Corellis Aufstieg vom Ripienisten zum Weltstar ist in der Musikgeschichte wohl einzigartig. Angesichts der musikalischen Hinterlassenschaft des Meisters stellte sich für die moderne Musikwissenschaft offenbar die Notwendigkeit zusätzlicher Analyse und Interpretation. Die Stellungnahmen reichen von unverhohlener Verständnislosigkeit bis zu dem Unterfangen, die künstlerische Leistung im Spiegel der zeitgenössischen Begeisterung einfangen zu wollen, wobei Ursache und Wirkung vertauscht, die erhoffte Erklärung für eben dieser Begeisterung jedoch schuldig geblieben wird. Die in der Literatur angeführten Rechtfertigungen für Corellis beispiellosen Erfolg, so zutreffend sie im Einzelnen auch sein mögen, hinterlassen doch den Eindruck, daß ihre Summe dem Phänomen nicht wirklich gerecht wird.
Die Frage lautet also: Welches Bedürfnis, welche Erwartung war es denn, die Corelli so meisterhaft zu erfüllen verstand?
Corelli kam zu einer Zeit nach Rom, als römische Kunst zu einem international verbindlichen Stil wurde. Basis dieser Austrahlung waren die Schöpfungen von Künstlern wie Bernini, Borromini und Pietro da Cortona, begünstigt durch den Enthusiasmus und die Mittel der Päpste bis einschließlich Alexander VII. Die einsetzende Internationalisierung förderte nun die repräsentativen Qualitäten und forderte eine größere, aber auch gröbere Ausdrucksweise. Gleichzeitig propagiert die intellektuelle Diskussion Klarheit, Übersichtlichkeit und Natürlichkeit als künstlerische Zielsetzung.
Anhand der zeitgenössischen Diskussion und an vergleichenden Beispielen von Kirchenfassaden und Grabdenkmälern werden die Erwartungen deutlich, mit denen die künstlerische Produktion in Rom kurz vor und um 1700 beurteilt wurde.
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, wie die Musik Corellis die soeben entstandenen Vorstellungen und Erwartungen in einzigartiger Weise befriedigen konnte, und zwar durch ihre Wirkung, nicht durch die Summe ihrer kompositorischen Qualitäten.
Warren Kirkendale (Rom): Die Marienantiphonen »Salve Regina«, »Te decus virgineum« und Antonio Caldara
Für die Musikwissenschaft wenig ausgewertet bleib die reiche liturgiewissenschaftliche Literatur, vorhanden in so vielen kirchlichen Bibliotheken in Rom. Damit wurde es möglich, die Bibliographie des Salve Regina in Musik- und Kirchenlexika um ein zehnfaches zu vermehren. Forschung zum barocken Salve fehlt fast vollständig, obwohl der Text in der Epoche mehr vertont wurde als die Messe selbst. RISM verzeichnet ca. 4.000 Quellen. Als Kommentar zu meiner im Druck befindlichen Edition von den beiden obengenannten vortrefflichen Antiphonen in der Santini-Bibliothek zu Münster habe ich Gelegenheit gehabt, eine kurze Skizze zu verfassen über den Ursprung des gregorianischen Salve, seine unsichere Autorschaft, seine liturgische Funktionen und Verbreitung, seinen Text, und einige Bemerkungen zu einer Vertonung durch Caldara.
Für Te decus virgineum andererseits, verzeichnet RISM nur zwei Vertonungen: diejenigen von Caldara. Dieser Text befindet sich schon in einem Benediktinerantiphonar des 12. Jahrhundert, aber danach fast ausschließlich in Quellen der Carmelitaner. Seine Abwesenheit im römischen Ritus erklärt den Mangel an Vertonungen. Aber nicht nur Caldara, sondern auch Händel haben ihn in Musik gesetzt, zusammen mit einer anderen Marienantiphon, Haec est Regina virginum, für die Liturgie der Carmelitaner in ihrer Kirche S. Maria di Montesanto auf der Piazza del Popolo unter dem Patronat des Kardinals Carlo Colonna. Es sind die Antiphonen, welche die ersten beiden der fünf »Salmi laudate« einführen, die bisher als ein venezianisches Monopol angesehen wurden.
Ein Teil des besprochenen Salve Regina wird gehört – eine unveröffentlichte Aufführung durch Rudolf Ewerhart, den wir 1959 vom Westdeutschen Rundfunk aufgenommen haben. Es nimmt fast Mozart voraus, obwohl es ca. 40 Jahre vor dessen Geburt komponiert wurde
Am Schluß ein paar Bewerkungen zu Caldaras »Mobilität und musikalischer Wandel«.
Mariateresa Dellaborra (Voghera): »Greatest that the world had ever known«: Giuseppe Sammartini compositore e solista a Londra (1729–1750)
Figlio d'arte e fratello maggiore di Giovanni Battista, Giuseppe Sammartini inizia l'attività come oboista in Italia, ma dal 1728 si sposta dapprima a Bruxelles e poi a Londra dove debutta al Hickford's Room. Stimato da Händel, Bononcini, ammirato da Burney, Hawkins, Quantz, dopo essere stato chiamato da varie istituzioni (Lincoln's Inn Fields, Swan and Castle Concerts, King's Theatre, Haymarket Theatre), aver ricoperto ruoli importanti nella vita londinese (direttore dei concerti di Hickford's Room dal 1732 al 1733; membro dell'orchestra dell'Opera of the Nobility tra il 1734 e il 1736; socio della Royal Society of Musicians), dal 1736 diventa maestro di musica di Frederick, principe di Galles, dedicandosi prevalentemente alla composizione.
Oltre a puntualizzare, attraverso nuovi documenti rinvenuti, il periodo preciso della partenza dell'autore da Milano per Bruxelles, nonché palesare le relazioni intessute a Londra, la relazione intende investigare il preciso ruolo svolto dal musicista nel mondo musicale inglese, per giungere alla individuazione dei tratti stilistici peculiari del celebre »St.Martini di Londra« al di là delle ammirate frasi di Hawkins: »He was an admirable composer, and, for instrumental music, may, without injury to either, be classed with Corelli and Geminiani« o di Burney »full of science originality, and fire«. Le opere a stampa, diffuse e ristampate per lungo tempo dopo la morte del musicista, già note ma non sufficientemente studiate, ad eccezione di alcune pagine per oboe; quelle manoscritte strumentali; le rare composizioni per il teatro; le cantate a voce sola, da poco investigate dalla scrivente, saranno oggetto di riflessione e raffronto con analoghe composizioni di autori - italiani e non - attivi nel contesto londinese. A corredo dell'aspetto più strettamente musicale, saranno presentate testimonianze da gazzette e da corrispondenze coeve recentemente venute alla luce.
Annamaria Bonsante (Bari): Presenza inedita di Johann Christian Bach in alcune fonti napoletane
La paternità delle musiche che formano il vasto patrimonio della »scuola napoletana« non è sempre certa. Tra i casi più noti vi sono le false attribuzioni, ma anche le ingiuste sottrazioni, a maestri settecenteschi come Pergolesi e Durante. Tali confusioni circa la responsabilità autoriale non si verificano solo nell’Ottocento (secolo che alimenta le falsificazioni), sono bensì radicate nel sistema stesso dei consumi musicali dell'Europa del Settecento. Nell'intreccio determinato dalle esigenze commerciali, dalla predilezione diffusa per questo o quell 'autore e da un vocabolario stilistico omogeneo, compositori, copisti ed editori cadono in errore, o in tentazione.
La presente ricerca, condotta su un archivio musica le di Benedettine in Puglia (San Lorenzo a San Severo, corposo fondo di fonti napoletane) e su altri fondi musicali di gloriosi monasteri della capitale, punta a restituire la legittima paternità ad alcune pagine di .Johann Christian Bach, prima fra tutte un mottetto a voce sola, fiati, archi e continuo. Ilcatalogo del musicista potrebbe risultare accresciuto e valorizzato dopo queste scoperte.
L'approccio è necessariamente cauto, trattandosi di un compositore tra i più frequentemente plagiati, dunque tra i più insidiosi dal punto di vista attributivo. Sulla scorta della prudente sapienza di chi ha curato gli opera omnia del Londinese studiandone a fondo carriera e fortuna , apprendiamo tanti dati che, congiunti alla circostanza di aver ricucito le partiture e progressivamente approfondito i contesti di ritrovamento dei manoscritti, sembrano sostenerci in un'operazione delicata come è l'accertamento di una responsabilità autoriale nel Settecento.
Gesa Finke (Oldenburg): Constanze Mozart als Nachlassverwalterin - kulturelles und kommunikatives Handeln im europäischen Kontext
Constanze Mozart verstand sich nach dem Tod ihres Mannes als Nachlassverwalterin, die es sich über fünfzig Jahre lang zur Aufgabe machte, seine Werke für die Nachwelt zu erhalten. Ihre unterschiedlichen Tätigkeiten können in umfassender Weise auf ihre erinnerungskulturelle Relevanz befragt werden. Die Kooperation mit Verlagen um 1800 für eine Gesamtausgabe sollte die Überlieferung der Werke auf lange Sicht hin sichern, nach Assmann also das kulturelle, mediengestützte Gedächtnis prägen. In diesem Licht ist auch die Biographie zu sehen, deren Material sie mit ihrem zweiten Ehemann Georg Nikolaus Nissen zusammentrug und 1828 herausgab. Mit dieser sollte Quellenmaterial bekannt gemacht, vor allem aber ein bestimmtes Mozartbild in die Zukunft transportiert und so die Kanonisierung befördert werden.
Ihre Bemühungen um Musikaufführungen setzt jenseits dieses kulturellen, überzeitlich angelegten Erinnerns auch kommunikative, kulturvermittelnde Akzente, deren Relevanz vor allem in der Gegenwart zu sehen ist. Constanze Mozart führte nach 1800 in Wien und Kopenhagen einen Salon. Ihre erste Initiative nach W.A. Mozarts Tod bestand jedoch darin, selbst als Sängerin Konzerte zu geben. 1795 und 1796 unternahm sie eine ausgedehnte Konzertreise, die sie über Graz, Leipzig, Hamburg und Berlin führte. Der Vortrag soll vor allem ihre Reisestationen fokussieren und damit der Frage nachgehen, welche Werke sie aufführte, welche Kontakte sie knüpfte und wie sie in ihrer Rolle als Mittlerin auch den Kulturtransfer beförderte, der die frühe Mozartrezeption zu einem »europäischen Phänomen« machte.
Anja Morgenstern (Salzburg): Neues zur Entstehung der »Biographie Wolfgang Amadeus Mozarts« von Georg Nikolaus Nissen
1828 erschien im Verlag Breitkopf & Härtel die Biographie Wolfgang Amadeus Mozarts, die von Georg Nikolaus Nissen, dem zweiten Ehemann von Constanze Mozart, vorbereitet worden war. Trotz aller Unzulänglichkeiten kommt diesem Werk das Verdienst der ersten umfangreichen Biographie Mozarts zu; ihr Wert liegt vor allem in der Nutzung von Primärquellen, v. a. der Familienkorrespondenz. Nissen starb aber noch über der Arbeit an der Biographie im März 1826.
Constanze Mozart übertrug die Fertigstellung der Biographie zunächst dem in Salzburg ansässigen Chordirektor Anton Jähndl. Später legte sie die Endredaktion des Manuskriptes in die Hände des Arztes und Musikliebhabers Johann Heinrich Feuerstein in Pirna. Somit stellt sich die Frage, in welchem Arbeitsstadium Nissen die Biographie hinterließ und welchen Anteil nicht nur die genannten, sondern auch weitere Personen an der Fertigstellung der Biographie haben. Diese Problematik ist in der Literatur bislang nur unzureichend berücksichtigt worden.
Durch eine glückliche Quellensituation wird im Rahmen der Digitalen Mozart-Edition dieser Fragestellung nun gezielt nachgegangen. Die Stiftung Mozarteum Salzburg besitzt zum einen das vollständige, zum Druck verwendete Manuskript der Biographie und zum anderen zahlreiche handschriftliche Quellen aus der Materialsammlung Nissens (»Nissen-Kollektaneen«), die im Stichmanuskript in unterschiedlicher Weise berücksichtigt sind. Durch die Identifizierung der Schreiber des Buchmanuskriptes sowie der diversen Quellen in den Kollektaneen kann die Rolle der verschiedenen Redakteure neu bewertet werden. Bei der Untersuchung berücksichtigt werden auch mehr als 25 bislang unbekannte Briefe von Breitkopf & Härtel an Feuerstein und weitere Adressaten in den Kopierbüchern des Verlages (Staatsarchiv Leipzig), die Einblick in die Drucklegung der Biographie geben.
Leonardo Miucci (Bern): Le sonate per fortepiano di Ludwig van Beethoven: le edizioni curate da Ignaz Moscheles
I molteplici tentativi compiuti da Ludwig van Beethoven di pubblicare una raccolta completa delle sue sonate per fortepiano ebbero tutti esito negativo. Questi progetti editoriali si arenarono in partenza a causa delle divergenze che il compositore ebbe con gli editori (principalmente Breitkopf & Härtel e Schott) e per la difficile e ancora non chiara situazione inerente i diritti di stampa. E’ dopo la morte di Beethoven che inizia a riversarsi sul mercato una miriade di edizioni complete delle sue opere (comprese le sonate per fortepiano). I primi tentativi, tra cui quelli di Andrè e Haslinger, risentirono, tuttavia, di criteri editoriali ancora poco scientifici ed attenti alla correttezza testuale. Le prime edizioni complete delle sonate di Beethoven che tentarono di affrontare e risolvere queste problematiche furono quelle curate di Ignaz Moscheles. Il musicista boemo pubblicò due raccolte diverse: la prima, per l’editore inglese Cramer & Co. verso la metà degli anni trenta dell’Ottocento; la seconda, per il mercato tedesco tramite l’editore Hallberger di Stuttgart verso la fine degli anni cinquanta. Lo studio di queste edizioni è di notevole importanza nell’esegesi interpretativa del testo beethoveniano per diverse ragioni. Moscheles studiò a lungo con il compositore di Bonn, conobbe a fondo il suo linguaggio compositivo e fu uno degli dei principali artefici dell’introduzione nei programmi da concerto delle sue sonate per fortepiano. Per quanto concerne i segni di articolazioni, di pedalizzazione ed interpretativi in generale, spesso ciò che Beethoven riportava sulla carta era costituito da indicazioni parziali. Ciò è vero soprattutto per la prima parte della sua produzione fortistica ed è spiegabile con la limitatezza delle possibilità espressive dei primi modelli di fortepiano (le fonti, per esempio, attestano con certezza che Beethoven fosse solito utilizzare il pedale di risonanza con molta più frequenza di quanto in realtà indicasse sulla parte). L’evoluzione organologia delle prime due decadi dell’Ottocento consegnò ai compositori fortepiani dotati di nuovi mezzi espressivi e questa fu una delle principali ragioni che indusse Beethoven in più di una circostanza a pensare di pubblicare nuovamente l’intero corpus delle sue sonate, per aggiornarle in relazione alle nuove possibilità strumentali (nuova timbrica ed estensione). Questo è il criterio guida che ispirò il lavoro di curatore da parte di Moscheles: oltre a cercare di eliminare le varie lezioni errate che si erano sedimentate nella recente tradizione editoriale, il musicista boemo adattò il testo beethoveniano in relazione alle nuove indicazioni semiografiche a disposizione e che, stando alle sue testimonianze, lo stesso Beethoven adottava quando era solito eseguire o insegnare le proprie sonate (fornendo anche preziose indicazioni metronomiche). L’operato di Moscheles arricchisce sostanzialmente le conoscenze sulla prassi esecutiva fortistica beethoveniana, offrendone un contatto diretto e rispettoso delle intenzioni del compositore.
Florian Kraemer (Köln): Entzauberung der Musik. Beethoven, Schumann und die romantische Ironie
Die Kategorie der »Ironie« hat in der Musikwissenschaft bisher - anders als etwa »Komik" oder »Humor« - eher selten für die Beschreibung von Instrumentalmusik des 19, Jahrhunderts Verwendung gefunden. Für die Musikhistoriographie hält sie jedoch ein beträchtliches Potenzial bereit. Wie in den literarischen Künsten, so könnte nämlich auch in der Instrumentalmusik eine selbstreflexive Tendenz der Kunst, ihre eigenen Bedingungen aufs Spiel zu setzen und im Spiel zu befragen, eine entscheidende Wegmarke zur musikalischen Moderne darstellen. In Erzählkunst, Lyrik und Theater bezeichnet in diesem Kontext der Begriff der romantischen Ironie illusionsbrechende Techniken, durch die das Kunstwerk die Grenzen seiner artifiziellen Existenz infrage stellt, um so das Problem ästhetischer Darstellung selbst zum Gegenstand der Darstellung zu machen.
Bereits die Musikkritik des 19,Jahrhunderts registrierte einzelne ironische Brechungen in der Instrumentalmusik. So assoziierte z.B. Robert Schumann eine Stelle in Beethovens Streichquintett op,29 mit dem Auftreten des Autors auf der Theaterbühne. Franz Brendel andererseits hat die "Ironie" in Schumanns Klaviermusik sicher nichtzufällig mit der Lyrik Heinrich Heines verglichen.
Um einen methodisch stichhaltigen Begriff von »romantischer Ironie« in der Instrumentalmusik zu entwickeln, müsste diese Kategorie indessen unabhängig von einzelnen (literarischen) Künsten definiert und durch entsprechend anschlussfähige Kriterien der Musikanalyse ergänzt werden. Eine kritische Diskussion einiger Fallbeispiele aus der Musik Beethovens und Schumanns soll dabei zeigen, welchen Beitrag die Kategorie der romantischen Ironie in der Interpretation musikalischer Werke leisten kann.
Vincenzina C. Ottomano (Bern): Migrazione e identità musicale: »Le Flibustier« di César Cui come convergenza tra Oriente e Occidente
La seconda metà del XIX secolo segna l’inizio di un notevole interesse per la musica russa in Occidente che si sviluppa in varie direzioni: dalla circolazione sempre più ampia di opere fino a un vero e proprio »culto« per alcuni musicisti sempre più presenti nella realtà delle capitali occidentali (per esempio Anton Rubinstein a Berlino, Pëtr Il'ič Čajkovskij ad Hamburg e César Cui e Igor’ Stravinskij a Parigi).
Il caso del compositore César Cui svela con particolare pregnanza lo stretto legame tra processo di migrazione culturale e conservazione dell’identità nazionale, questa volta però, perfettamente integrata nella realtà del contesto europeo ospite, ossia quello della Parigi fin de siècle.
Nel 1888 Cui assiste alla messa in scena della pièce teatrale di Jean Richepin intitolata Le Flibustier. Completamente affascinato dal dramma, il musicista chiede immediatamente il permesso all’autore di poterlo mettere in musica. Il risultato, connubio perfetto tra la tradizione teatrale e francese e l’operosità drammaturgica russa, fu a dir poco sorprendente: per la prima volta, infatti, come scrisse nella sua cronaca Paul Dukas: »M. Cui a mis en musique Le Flibustier sans rien changé au texte de M. de Richepin. Il est, on le conçoit, fort difficile de juger complètement du mérite d’ouvrages dont le principe repose sur une parfaite concordance de l’expression poétique et de l’expression musicale«. Era nato così nell’Europa occidentale il primo esempio di Literaturoper.
Quest’opera di César Cui, mai studiata finora può essere considerata a pieno diritto l’anello di congiunzione tra gli esperimenti della giovane scuola russa e in particolare di Musorgskij e le nuove tendenze del teatro musicale europeo tra la fine del 1800 e la prima metà del 1900: dal fiorire di Literaturopern (si pensi a Debussy, Mascagni e Strauss) fino alla conquista dei libretti in prosa, dimostrando così una piena convergenza e straordinaria continuità tra l’universo musicale orientale e quello occidentale.
Martin Knust (Stockholm): Andreas Halléns Korrespondenz mit Hans Herrig - Ein Beitrag zu den deutsch-schwedischen Kulturkontakten im späten 19. Jahrhundert
Andreas Hallén (1846 – 1925) wird in der Forschungsliteratur gemeinhin als der »schwedische Wagner« bezeichnet. Diesen Beinamen verdankt er in der Hauptsache seiner ersten Oper, »Harald der Wiking«, die er zwischen 1878 und 1881 auf einen deutschen Text von Hans Herrig (1845 – 1892) schrieb. Die schwedische Fassung wurde erst nachträglich erstellt und hatte 1884 in Stockholm Premiere, d.h. drei Jahre nach der Leipziger Uraufführung, bei der Arthur Nikisch dirigierte und Angelo Neumann Regie führte. Halléns Briefe an seinen Librettisten Herrig sind im Herbst letzten Jahres der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Sie sind ein beeindruckendes Dokument einer deutsch-schwedischen Komponistenkarriere, wie sie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert für etliche nordische Komponisten typisch ist. Hallén studierte und arbeitete einige Jahre in Deutschland, bevor er in seine Heimat zurückkehrte um dort als Komponist, Dirigent, Kompositionslehrer und Musikorganisator zu wirken. Seine Korrespondenz mit Herrig aus den Jahren 1879 bis 1890 offenbart Details des kompositorischen Vorgehens Halléns, Einzelheiten der Rezeption deutscher Kultur im Norden – insbesondere der Wagner-Rezeption – sowie die Ambitionen eines nordischen Komponisten, auf dem Kontinent zu reüssieren, um so seine Stellung im eigenen Lande zu festigen; dabei wäre zu diskutieren, ob Halléns Wagnerfixierung, die in seiner Oper wie seinen Briefen an Herrig deutlich wird, nicht möglicherweise auch aus diesen Ambitionen heraus erklärbar ist, also als eine rezeptionsstrategische Entscheidung gewertet werden könnte. Darüberhinaus geben seine Briefe Auskunft über das Schicksal von »Harald der Wiking«, eine Oper, die zumindest für kurze Zeit in Deutschland gespielt wurde. Abschließend soll kurz der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich das Verhältnis von nordischen Komponisten zu Deutschland, für das dasjenige Halléns im späten 19. Jahrhundert als repräsentativ gelten kann, im Laufe des 20. Jahrhundert verändert hat – bzw. eben nicht.
Dirk-Matthias Altenmüller (Freiburg): Hector in Rom. Eine Analyse eigen- und fremdanamnestischer Berlioz-Zeugnisse aus epileptologischer Sicht
Nach dem Gewinn des Rom-Preises im Juli 1830 legte Hector Berlioz ein ärztliches Attest vor, das ihm »nervöse Affektionen« bescheinigte; dieser Krankheitszustand nehme während des Sommers und unter dem Einfluss der Sonne zu. Er selbst schrieb wenige Wochen vor seinem Eintreffen in Rom im Frühjahr 1831 von einem »mystère d’un chagrin affreux«, worüber er nicht offen sprechen könne. Auch fällt in seinen Mémoires die differenzierte Beschreibung einer »grausamen Erkrankung« mit zwei unterschiedlichen Manifestationsformen nicht zufällig in die Periode seines Akademie-Aufenthaltes in Rom.
Anhand einer Fülle weiterer zeitgenössischer Quellen lässt sich die Diagnose einer Epilepsie mit spezifischen Provokationsfaktoren bei Berlioz belegen. Die Auseinandersetzung mit dieser Krankheit hat ihn gerade in Rom in besonderem Ausmaß beschäftigt und sein kompositorisches Werk nachweislich beeinflusst.
Christian Berger (Freiburg): Harold in Rom. Eine Analyse von Berlioz' »Marche des pélerins«
Der Rom-Aufenthalt Hector Berlioz’ gehört zu den schwierigsten Perioden seines Lebens, zugleich fällt er in eine unglaublich produktive Zeit. Davon legt nicht zuletzt die Sinfonie »Harold en Italie« beredtes Zeugnis ab. Der Beitrag möchte eine Analyse des 2. Satzes vor dem Hintergrund der biographischen Erlebnisse Berlioz’ in Rom versuchen, wobei zwei Auseinandersetzungen im Vordergrund stehen, die in diesem Werk produktiv umgesetzt werden: seine Krankheit, wie sie von Dirk-Matthias Altenmüller beschrieben wird, und die Begegnung mit der »Alten Musik« im emphatischen Sinne im Petersdom. Beides verarbeitet Berlioz auf produktive Weise in diesem Werk, so daß es weit über den biographischen Anlaß hinaus an künstlerischer Bedeutung gewinnt.
Joachim Junker (Kaiserslautern): Franco Evangelistis Klavierstück »Proiezioni sonore« im Kontext der Darmstädter Schule
Der römische Komponist Franco Evangelisti nimmt unter den Protagonisten der sogenannten Darmstädter Schule eine Sonderstellung ein. Im Unterschied etwa zu Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen vermied er weitgehend die vollständige rationale Kontrolle kompositorischer Strukturplanung und bezog von Anfang an den Zufall in die Organisation seiner Werke ein. Umgekehrt widersetzte er sich den ab Mitte der fünfziger Jahre aufkommenden aleatorischen Tendenzen, indem er an seriellen Ordnungen festhielt, die ein gewisses Maß an Freiheit zuließen. Schließlich wandte er sich der Improvisation zu und schrieb theoretische Texte, in denen er über die mögliche Konzeption einer zukünftigen Klangwelt nachdachte.
In dem Klavierstück Proiezioni sonore von1955/56 setzt sich Evangelisti erkennbar mit seiner eigenen kompositorischen Position innerhalb der Darmstädter Schule auseinander. Die Karlheinz Stockhausen gewidmete Komposition besteht – wie er im Vorwort vermerkt – aus isolierten Klangereignissen von zum Teil brachialer Gewalt, die wie Skulpturen im Raum stehen sollen, verbunden nur durch die Stille. Somit erinnert sie deutlich an Stockhausens bereits 1954 entstandenes Klavierstück X, das jedoch erst 1961 in einer revidierten Fassung uraufgeführt wurde.
Zu Beginn des Vortrages soll Proiezioni sonore einer detaillierten Analyse unterzogen werden, welche die in dem Stück verwendeten rationalen Steuerungsmechanismen ebenso offenlegt wie seine dem Zufall überlassenen Gestaltungselemente. Anschließend soll die Komposition exemplarisch Stockhausens Klavierstück X gegenübergestellt werden, in dem aleatorische Verfahrensweisen – im Unterschied zu dem folgenden Klavierstück XI von 1956 – noch keine Rolle spielen. Insgesamt zielt der Vortrag darauf ab, Evangelistis Verhältnis zur Darmstädter Schule kritisch zu hinterfragen und das für sein Oeuvre charakteristische Spannungsfeld von Gruppen- und Individualstil näher zu beleuchten.
Gordon Kampe (Osnabrück): Überlegungen zum Belcanto im Werk von Hans-Joachim Hespos
»letztendlich geht es in allem um gesang«1 – dieses Statement steht wie ein unverrückbares Gesetz über nahezu allen Werken von Hans-Joachim Hespos. Versteht man Gesang zunächst als eine Äußerung der menschlichen Stimme, so verrät bereits ein Blick in das Werkverzeichnis die besondere Nähe des Komponisten
zur Stimme – sie findet sich in nahezu allen Gattungen.
Gesang bedeutet für Hespos indes nicht nur die Äußerung der menschlichen Stimme, sondern ganz wesentliches, existentielles Handeln – dem Stoffwechsel des menschlichen Körpers ähnlich: »komponieren, singen – das gehört für mich zum leben wie atmen, lieben, denkfühlen, verdauen, lachen, weinen.«2 Nimmt man Hespos´ angeführtes Diktum wörtlich, so erkennt man, aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet, in einer Schrift zur italienischen Oper aus dem 18. Jahrhundert erstaunliche Parallelen, die auch auf die hespossche Musik übertragbar sind: »Die Kunst, die geringsten Gradationen auszudrücken, den Ton aufs feinste abzutheilen, unmerkliche Verschiedenheiten fühlbar zu machen, die Stimme an einander zu hängen, sie abzusetzen, zu verstärken und zu mindern; [...] sind daher lauter Wunder des italiänischen Himmels [...]«3 Mein Referat wird zeigen, dass auch bei einem eher als »Bürgerschreck« bekannten zeitgenössischem Komponisten, der "Belcanto" ein ganz zentraler kompositorischer Bezugspunkt sein kann.
1 Hans-Joachim Hespos: ..redeZeichen.. Texte zur Musik 1969-1999, hgg. von Randolph Eichert und Stefan Fricke, Saarbrücken 2000, S. 43.
2 Hans-Joachim Hespos: ..redeZeichen.., S. 27.
3 Esteban Arteaga: Geschichte der italiänischen Oper. Übersetzt v. Johann Nicolaus Forkel, Leipzig 1789. Nachdruck Hildesheim 1973, S. 333-334.