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MOBILITÄT UND MUSIKALISCHER WANDEL: MUSIK UND MUSIKFORSCHUNG IM INTERNATIONALEN KONTEXT

Internationale Tagung der Gesellschaft für Musikforschung anlässlich des 50-jährigen Bestehens der musikgeschichtlichen
Abteilung des Deutschen Historischen Instituts in Rom vom 2. bis 6. November 2010

—>  Programm / Freie Referate / Sektion I

Sektion I: Internationalität, Transkulturalität, Musikwissenschaft

Teil 1

 

Mittwoch, 3. November 2010

09.00 - 12.00

DHI, Raum A-104

 

Programm

 

09.00      Sammeln und Musizieren in der späten Renaissance. Zur Rekonstruktion

der Musikbibliothek des Christoph Leibfried (1566-1635)

Luigi Collarile

zum Abstract

 

09.30      Die Entstehung der griechischen Kunstmusik unter dem Einfluss

italienischer Vorbilder

Ioannis Papachristopoulos

zum Abstract

 

10.00      Kavaliersreisen und Musiktransfer

Margret Scharrer

zum Abstract

 

10.30      Kaffeepause

 

11.00      Tatort Dresden. Deutsche Romantik und Italianità zu Beginn des 19.

Jahrhunderts

Christoph Koop

zum Abstract

 

11.30      Kultureller Austausch im 19. Jahrhundert - Betrachtungen eines

gattungsgeschichtlichen Phänomens

Katharina Steinbeck

zum Abstract

 

12.00      Walter Benjamin, Johann Wilhelm Ritter und die Musik

Burkhard Meischein

zum Abstract

 

 

Teil 2

 

Mittwoch, 3. November 2010

15.00 - 18.00

DHI, Raum A-104

 

 

Programm

 

15.00      Le raffigurazioni musicali nella »Tomba del Tuffatore« di Poseidonia

(Paestum) (V sec.a.C.)

Angela Bellia

zum Abstract

 

15.30      Modality of interaction between text and music in »Roman cantatas«

during the seventeenth century

Tiziana Affortunato

zum Abstract

 

16.00      Ästhetische Rezeption und Fragmentierung um 1800. Mignon und

Margarete in Malerei und Musik

Dominik von Roth

zum Abstract

 

16.30      Kaffeepause

 

17.00      Vom Hören und Zuhören. Ein Weg zu elektroakustischer Musik

Motje Wolf

zum Abstract

 

17.30      Der Computer als Musikinstrument: Musikpraxis und Musikforschung in der

digitalen Mediamorphose

Andreas Möllenkamp

zum Abstract

 

Teil 3

 

Freitag, 5. November 2010

09.00 - 12.30

DHI, Raum A-104

 

 

Programm

 

09.00      Elemente griechischer und arabischer Musik im Spanien der drei Kulturen

Esther Morales-Canadas

zum Abstract

 

09.30      Musik zwischen Missionierung und staatlicher Propaganda. Der Einfluss der

portugiesischen Musikkultur in Südostasien im 16. und 17. Jahrhundert

Christian Storch

zum Abstract

 

10.00      Tendenzen zeitgenössischer Musik in Portugal in der zweiten Hälfte des

20. Jahrhunderts

Gilbert Stöck

zum Abstract

 

10.30      Kaffeepause

 

11.00      Zwischen Musik und Geräusch: Szenen vom Sound der Schlacht, Teil 1

Stefan Gasch

zum Abstract

 

11.30      Zwischen Musik und Geräusch: Szenen vom Sound der Schlacht, Teil 2

Rebecca Wolf

zum Abstract

 

 

Teil 4

 

Freitag, 5. November 2010

15.00 - 18.00

DHI, Raum A-104

 

 

Programm

 

15.00      Parallelwelten? Das Eigene und das Fremde in der Musik Koreas

Hyesu Shin

zum Abstract

 

15.30      Per »Rezeption« ad »Evolution« in Werken koreanischer Komponisten

In Shun Shin

zum Abstract

 

16.00      Untersuchungen zu Veränderungen im Tonsystem der traditionell

koreanischen Musik und deren Auswirkungen auf ihre Zukunft

Oyeon Kwon

zum Abstract

 

16.30      Kaffeepause

 

17.00      Gegenwart und Zukunft der schulischen Musikerziehung in Korea –

dargelegt am Beispiel der Lehrpläne für die Primar- und Sekundarstufen

Hee Ju Ham

zum Abstract

 

17.30      Suche nach einer neuen Identität – Musikforschung im Korea des 21.

Jahrhunderts

Hee Sook Oh

zum Abstract

 

 

Teil 5

 

Freitag, 5. November 2010

15.00 - 18.00

DHI, Musikgeschichtliche Abteilung, Lesesaal

 

 

Programm

 

15.00      Adaptionen der jamaikanischen Ska-music durch die Subkultur der

Skinheads in Großbritannien

Daniel Siebert

zum Abstract

 

15.30      Der Niedergang der Klassikindustrie!?! – Eine Bestandsaufnahme

Martin Lücke

zum Abstract

 

16.00      Mobile Musik: theoretische und mediengeschichtliche Umrisse

Nils Grosch

zum Abstract

 

16.30      Kaffeepause

 

17.00      Wie Emotion Struktur formt. Zur Sprachverwendung in früher

elektronischer Musik in Italien

Nora Krahl

zum Abstract

 

17.30      Deutschsprachige Musikwissenschaft und New Musicology. Aspekte einer

transatlantischen Kommunikationsverweigerung

Andreas Domann

zum Abstract

Abstracts

 

Luigi Collarile (Fribourg): Sammeln und Musizieren in der späten Renaissance. Zur Rekonstruktion der Musikbibliothek des Christoph Leibfried (1566-1635)

 

In diesem Vortrag werden die ersten Ergebnisse eines Forschungsprojektes vorgestellt, dessen Ziel die Untersuchung der ehemaligen Musikbibliothek des Christoph Leibfried (1566-1635) ist. Der deutsche Jurist sammelte Musik bzw. Musikdrucke italienischer Vokal- und Tastenmusik seit der Zeit seines Aufenthaltes in Tübingen (1587-1597). Nach seinem Tod wurde seine Bibliothek vom Basler Adligen Remigius Faesch (1595-1667) gekauft. Als die tausende Bestände vom Museum Faesch 1823 in die neu gegründete Basler Universitätsbibliothek eingingen, wurden sie nicht als Block übernommen. Die Rekonstruktion der Musiksammlung Leibfrieds erlaubt es, ein sehr interessantes Beispiel für die bürgerliche Praxis des Musizierens und Sammelns im Kontext zur Tastenmusikkultur im süddeutschen Raum um 1600 zu untersuchen. Die Erforschung der Typologie des ausgewählten Repertoires bringt die Bedeutung der Sammlung Leibfrieds und die Implikationen auf die Verwirklichung eines Projekts, wie die Veröffentlichung der 1617 in Basel gedruckten, von Johann Woltz herausgegebenen Nova Musices Organicae Tabulatura ans Licht.

 

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Ioannis Papachristopoulos (Wuppertal): Die Entstehung der griechischen Kunstmusik unter dem Einfluss italienischer Vorbilder


Die Anfänge der griechischen Kunstmusik lassen sich auf den Inseln des ionischen Meers lokalisieren, als gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine starke Blüte musikalischer Aktivität stattfand. Die geographische und politische Lage der Inseln hatte dazu beigetragen, dass auf ihnen die griechische Kultur mit der italienischen lange Zeit in intensiver Berührung stand. Die Komponisten haben ihre musikalische Ausbildung ausschließlich in großen italienischen Musikzentren genossen wie zum Beispiel in Neapel, Bologna oder Mailand und orientierten sich in ihrem Schaffen an den Vorbildern der italienischen Musik. Gleichzeitig haben sie aber auch versucht, Elemente aus der griechischen musikalischen Überlieferung mit aus der aktuellen italienischen Musikpraxis entliehenen material- und satztechnischen Mitteln in Zusammenhang zu bringen. Darüber hinaus wandten sie sich in ihrem westlich orientierten Werk griechischer Thematik und Sprache zu. Obwohl es ihnen dabei nicht wirklich gelungen ist, ihrer Musik eine deutliche griechische Physiognomie zu verleihen, kann nicht bestritten werden, dass sie Vorläufer bzw. Wegbereiter waren; sie legten den Grundstein zur späteren Ausbildung der Griechischen Nationalschule, als die ionische Kultur sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem musikalischen Traditionsbestand des griechischen Festlands verband, dessen Wurzeln vielfach in der byzantinischen Kultur lagen.

 

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Margret Scharrer (Halle): Kavaliersreisen und Musikvermittlung

 

Reisen bildeten seit jeher einen wichtigen Stellenwert im Ausbildungsprogramm junger Musiker. Zu den berühmtesten Musikreisenden gehörte wohl Wolfgang Amadeus Mozart, der einen Großteil seiner Kindheit und Jugend in der Kutsche verbrachte. Obgleich nicht nur für den Fall Mozarts bekannt ist, dass Auslandsaufenthalte das kreative und berufliche Fortkommen eines Musikers und Komponisten entscheidend prägen konnten, dürfen Musikerreisen noch immer als relativ unerforscht gelten. Auf dieses Desiderat wurde in der letzten Zeit verschiedentlich hingewiesen. Reisen allgemein stößt derzeit in der Forschung auf reges Interesse, wie das jüngst ins Leben gerufenen Forschungsprojekt am DHI und der École française de Rome zeigt. Der Vortrag möchte speziell Kavaliersreisen in den Blickpunkt des Interesses rücken und deren Bedeutung für die Musikkultur Mitte des 17. und 18. Jahrhunderts aufzeigen. Anhand unterschiedlicher Prinzenreisen, wie z. B. der bayerischen Wittelsbacher oder der sächsisch-polnischen Wettiner, soll bestimmten Fragen nachgegangen werden: a) welchen musikalischen Ereignissen wohnten die jungen Reisenden bei und was für Eindrücke hinterließen diese bei ihnen, b) inwieweit absolvierten sie ein eigenes musikalisches Ausbildungsprogramm, c) wählten sie bestimmte Reiseziele aus musikalischen Beweggründen aus, d) befanden sich in ihrem Gefolge Hofmusiker, e) wurden Musikalien oder Musikinstrumente käuflich erworben, f) welchen Stellenwert nahm die Musik während der Reise ein und schließlich g) kam es zu musikalischen Konsequenzen nach der Rückkehr an den eigenen Hof? Quellengrundlage bilden bei dieser Untersuchung insbesondere briefliche und tagebuchartige Aufzeichnungen, die entweder von den jungen Adligen selbst oder Mitreisenden, wie etwa den Hofmeistern, verfasst wurden. Ferner sollen väterliche Reiseinstruktionen, Hofrechnungen, Musikaliensammlungen, Memoiren oder Musikerviten des 18. Jahrhunderts eine musikalische Auswertung erfahren.

 

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Christoph Koop (Dresden): Tatort Dresden. Deutsche Romantik und Italianità zu Beginn des 19. Jahrhunderts

 

Sachsen stand um 1810 nicht nur zwischen napoleonischen und alliierten Fronten. Hinsichtlich der Musik bot die Residenzstadt Dresden und der sächsische Hof als sichere und hervorragende Insel der lebendigen italienischen Operntradition selbst Konfliktpotenzial seit dem Amtsantritt Carl Maria von Webers und der Eröffnung eines »deutschen Départements«“ im Jahr 1817. Zwischen höfischer Tradition und neuer Bürgerlichkeit wurden in der nationalbestimmten Geschichtsschreibung Weber und dessen älterer Amtskollege Francesco Morlacchi gegeneinander für divergierende Lösungsansätze instrumentalisiert. Wie sich beide Vertreter unabhängig von späteren Urteilen, wie z.B. von Morlacchis direktem Amtsnachfolger Richard Wagner, gegenseitig beeinflußten, ist vor dem Hintergrund der an Bedeutung gewinnenden Kirchenmusik am Dresdner Hof exemplarisch darstellbar. Dabei wird versucht, den zugunsten Webers erforschten Blickwinkel durch neuere Forschungen zu Morlacchi und der Italianità in Dresden auszuponderieren.

 

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Katharina Steinbeck (Weimar): Kultureller Austausch im 19. Jahrhundert - Betrachtung eines gattungsgeschichtlichen Phänomens

 

Was Franz Brendel mit Blick auf eine neue europäische Musiksprache um die Mitte des 19. Jahrhunderts prophezeite, konkretisierte Franz Liszt mit seiner Forderung nach der Verschmelzung von Musik und Literatur zu einer neuen weltliterarischen musikalischen Ausdrucksform: die Vereinigung der reinen Instrumentalmusik – als romantisch-idealistischer Inbegriff des »wortlosen Sagens« – mit der Literatur als einer Kunst, die auf der Sprache selbst gründet und doch über sie als materiale Grundlage hinausweist. Dieses ganz im Sinne der »neudeutschen« Ästhetik stehende, ideengeschichtliche Konzept praktisch umzusetzen, war Liszt in seinen eigenen Symphonischen Dichtungen bestrebt.
Im Zuge einer zur gleichen Zeit in Russland zunehmend erstarkenden national-romantischen Bewegung und der damit einhergehenden Besinnung auf die eigene Volksmusik und die volkssprachlichen Sagen und Märchen verbreitete sich auch hier die kompositorische Praxis, Musik und Literatur miteinander zu verknüpfen.
Obwohl der russische Komponistenkreis um Mili Balakirew, auch das »Mächtige Häuflein« genannt, beabsichtigte, eine eigene, nationale Identität stiftende Musiksprache zu finden, zu festigen und sich von Fremdbestimmung und westlichem Kultur-Import zu befreien, bedienten sich doch gerade die fünf russischen Novatoren der Symphonischen Dichtung, der per se noch »westlichen« Gattung.
Die Untersuchung möchte insbesondere zur Aufklärung der Frage beitragen, inwiefern die russischen Komponisten seit Michail Glinka mit ihrer Spielart der Symphonischen Dichtung und deren frühen Ausprägungen ein mit der Lisztschen Gattung vergleichbares ideengeschichtliches sowie kompositorisches Problem zu lösen suchten. In kritischem Blick soll die aktuell herrschende Annahme der Musikwissenschaft geführt werden, die ohne fundierte Nachweise diese Werke primär als kompositorische Rezeption der Lisztschen Gattungsidee zu verstehen scheint.
Erklärte Absicht des Referates ist es, einen von der eurozentristisch geprägten Musikgeschichtsauslegung weitgehend unabhängigen Einblick in eine Gattungsgeschichte und damit vielleicht ein den Werken an sich gerechter werdendes Verstehen von Musik zu bieten.

 

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Burkhard Meischein (Dresden): Walter Benjamin, Johann Wilhelm Ritter und die Musik

 

Zum romantischen Diskurs über Musik gehören naturwissenschaftliche und naturphilosophische Bestandteile, also Experimente und daran angeknüpfte philosophische Spekulationen über klangliche Erscheinungen. Hier nimmt der Physiker Johann Wilhelm Ritter (1776–1810) eine wichtige Stellung ein, der in weit ausgreifenden Spekulationen über Korrespondenzen zwischen akustisch wahrnehmbaren Tönen und visuell wahrnehmbaren Bildern nachgedacht hat. Ausgehend von ihrer Gemeinsamkeit, Schwingungsphänomene zu sein, gelangt Ritter zu bemerkenswerten Einsichten über das Verhältnis zwischen klanglichen Ordnungsstrukturen einerseits und Unmittelbarkeit bzw. Vorreflexivität andererseits. Walter Benjamin hat Ritter ein großes Interesse entgegengebracht und an mehreren Stellen auf seine Überlegungen zu Klang und Musik hingewiesen, ohne dass seine Anregungen in der Musikwissenschaft aber bisher aufgegriffen worden wären.

 

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Angela Bellia (Bologna): Le raffigurazioni musicali nella »Tomba del Tuffatore« di Poseidonia (Paestum) (V sec.a.C.)

Gi scavi archeologici condotti a Poseidonia (Paestum) hanno consentito il rinvenimento della »Tomba del Tuffatore« (480-470 a.C.). In essa era stato sepolto un individuo e il suo corredo funebre, consistente in vasi a destinazione funeraria, in uno strumento a corde, lyra o barbitos, e in un aulos a canne doppie. Sulla faccia interna della lastra, è rappresentata una scena con un giovane nell’atto di tuffarsi in uno specchio d’acqua. Sulle pareti lunghe della tomba è rappresentato un simposio, cui partecipano dieci personaggi distesi su letti triclinari, alcuni dei quali suonano il barbitos, l’aulos, cantano, lanciano richiami o conversano. Sulle pareti brevi, sono raffigurati un coppiere che serve il vino, una suonatrice di aulos, e altri due personaggi. Le immagini si proiettano oltre la morte dove una umanità serena e giovanile si prepara a raggiungere uno stato di felicità nell’Aldilà, consistente essenzialmente nel prolungare le gioie del simposio terreno. Questa imagerie aiuta a comprendere come la musica sia il piacere più grande anche dopo la morte.

 

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Tiziana Affortunato (Roma): Modality of interaction between text and music in »Roman cantatas« during the seventeenth century

 

Around the mid seventeenth century, Rome was the centre of a double typology of patronage: a secular one and a religious one both linked together. These particular conditions favored an extraordinary interaction between artistic genres. In particular the vocal chamber of music in this period is seen  also to the European circulation of its manuscript sources – as a ‘manifesto’ of social and cultural principles, rather than artistic ones.
Only in recent years scholars have adopted a critical approach about cantata da camera’s texts and today they are seen not as ingenuous social plays, however as witty displays of textual and musical experiments. From this point of view, cantata da camera is more than a contemporary opera. It is a magnifying lens of new artistic possibilities.
The main aim of this paper is to enlighten the peculiar context of “roman cantata” manuscripts of mid seventeenth century and it’s modality of interplay between words and music. This last prospect is seen through  three approaches: a textual one, which are considered sets of poesie per musica in manuscripts sources; a musical one, where it will highlight the modality of interaction between poetry and composers and a final prospect which is a biographical one, where archival sources such as (e.g. letters) are considered to detect the author’s awareness of it’s particular artistic genre.

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Dominik von Roth (Weimar): Ästhetische Rezeption und Fragmentierung um 1800. Mignon und Margarete in Malerei und Musik

 

Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre sowie sein Drama Faust, der Tragödie erster Teil gelten heute sowohl als Meilensteine der deutschen Literatur wie auch als Klassiker der Literaturrezeption. Insbesondere die beiden weiblichen Figuren Mignon und Gretchen boten Künstlern des frühen 19. Jahrhunderts bemerkenswerte Anreize für ihr bildkünstlerisches und kompositorisches Schaffen. Unzählige Zeichnungen, Gemälde und ein zahlenmäßig kaum mehr überschaubarer Korpus von Liedvertonungen haben das »Bild« Mignons und Gretchens nachhaltig geprägt, bestimmt, verändert, verfälscht …
Das inhaltliche Verhältnis zwischen Goethes Textvorlage und den in bildender Kunst und Musik nachgeschaffenen Werken ist ein Aspekt des Referats. Darüber hinaus soll anhand wirkungsästhetischer Merkmale gezeigt werden, dass auch Bild und Musik Ebenen der Vergleichbarkeit aufweisen, die nicht selten jenseits der bloßen Textausdeutung liegen. Bild- und Klangstrukturen bestehen stets aus Relationen absoluter ästhetischer Parameter, deren Wirkungsspektren zu einem erheblichen Anteil bereits durch das Kunstwerk selbst und nicht erst durch den Rezipienten bestimmt werden.
Die interdisziplinäre Anlage erfordert eine methodische Herangehensweise, die sich die relative Autonomie des Kunstwerks zu Nutzen macht, um eine gleichwertige Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Sich einer zu weiten Teilen phänomenologischen Komparatistik zu bedienen, erlaubt nicht nur historische Determinanten weitestgehend auszuklammern; gleichzeitig kann dieser Ansatz aktuelle Anreize sowohl für ein »neues« Sehen als vor allem auch für ein »neues« Hören in unserer heutigen Zeit schaffen, die, meist fernab allgemeiner Kenntnis literarischer Klassiker, dennoch von gewaltigen Bild. Und Klangwirkungen dominiert und funktionalisiert sind.

 

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Motje Wolf (Leicester): Vom Hören und Zuhören. Ein Weg zu elektroakustischer Musik

 

Es ist beinahe unmöglich heutzutage, Sounds auszuweichen. Durch Separation mittels Kopfhörern, zurückgezogen in die Welt der eigenen Lieblingssounds hat die iPod Generation ihre eigene Lösung für dieses Problem gefunden. Ständig Klängen ausgesetzt zu sein, bringt mit sich, dass keine Zeit bleibt, Hörstrategien zu entwickeln. Denn Hören ist nicht gleich Zuhören; und letzteres scheint immer unwichtiger zu werden im Zusammenhang mit Musik.

Gerade in elektroakustischer Musik (wie auch in anderen Genres zeitgenössischer Musik) muss zuhören neu gelernt werden. Der Hörer ist neuen musikalischen Strukturen und Klängen ausgesetzt. Die Fähigkeit, diese im auditiven Prozess nachvollziehen zu können, ist eine Schlüsselqualifikation zum Annähern an diese Musik. Natürlich gilt das für jede Form der Musik, nur scheint dies im Zusammenhang mit elektroakustischer Musik relevanter zu sein.

Für meine Doktorarbeit im »EARS II – pedagogical project« des Music, Technology and Innovation Research Centre, De Montfort University Leicester (UK) habe ich ein Curriculum entwickelt, das elektroakustische Musik Schülerinnen und Schülern zwischen 11 und 14 Jahren nahezubringt. Mit dem Ziel aus jungen Hörern kompetente Zuhörer zu machen, orientiert sich dieser Lehrplan vorrangig an den Konzepten der Verwendung von Sounds, die in elektroakustischer Musik zu finden sind. Das Curriculum ist die Grundlage einer virtuellen Learning Environment, die sowohl im Klassenraum als auch von zu Hause aus genutzt werden kann. Fallstudien und Interviews, die im Zusammenhang mit den Tests des Curriculums durchgeführt wurden, indizieren, dass auditive Fähigkeiten eine größerer Rollen für das Verstehen und Wertschätzen von elektroakustischer Musik spielen als zunächst angenommen. Obwohl die Partizipanten der Studien vertraut waren mit einigen für elektroakustische Musik wesentliche Hörstrategien (akusmatisches Hören mit dem iPod; referentielles Hören im Alltag), zeigte sich, dass es für die meisten ein völlig neuer Weg war, sich mit Sounds auf diese Weise zu beschäftigen.

In meinem Vortrag werde ich die Hypothese diskutieren, dass das Lehren von Hörstrategien ein Weg ist, das Verständnis und die Wertschätzung (appreciation) von elektroakustischer Musik zu ermöglichen bzw. zu vertiefen. Dabei werden die Lehrmethoden um Hörstrategien zu unterrichten und das EARS II Projekt näher beleuchtet werden.

 

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Andreas Möllenkamp (Leipzig): Der Computer als Musikinstrument: Musikpraxis und Musikforschung in der digitalen Mediamorphose

 

Die gegenwärtige Musikkultur und insbesondere die Formen der Musikproduktion und –rezeption unterliegen einem grundlegenden Wandel. Neue Medien und Technologien konfigurieren dabei die Art und Weise, wie Musik produziert und angeeignet wird, wie mit und über Musik kommuniziert wird. Mit dem Computer als universeller Maschine entstehen nicht nur neue Instrumente, Produktions- und Distributionsweisen, sondern auch neue Lebensstile, Orte und kulturelle Praxen, die die Rolle von Künstlern und das (Selbst-)Verständnis von Musik in der Gesellschaft transformieren. Dies stellt nicht nur die Kulturindustrien, sondern auch Kultur- und Bildungsinstitutionen sowie die Musikwissenschaft vor große Herausforderungen und verdeutlicht die Notwendigkeit, diese Prozesse differenziert zu untersuchen. Für die Musikwissenschaft öffnet sich damit ein interdisziplinäres Forschungsfeld, in dem nicht nur die Notation oder der Klang, sondern auch die Materialität und Medialität der musikalischen Kommunikation, spezifische Wissens- und Interaktionsformen sowie Körpertechniken in den Blick kommen. Mit dem Computer als Musikinstrument wandeln sich musikalische Kommunikations- und Vergesellschaftungsformen ebenso wie musikbasierte kulturelle Identitätsbildungen. Wie gehen Musiker mit Musiksoftware um, welche Rolle spielt der Computer in ihrem Leben und ihrer Arbeit und wie entstehen neue Musik und neue Musiktechnologien? Das Referat zieht dazu Ansätze aus der Medienarchäologie, Praxeologie sowie kulturwissenschaftlichen Technik- und Performanceforschung heran und diskutiert, wie die Musikforschung dem gegenwärtigen Wandel und den vielfältigen Überschneidungen von Hardwaregenerationen, Softwareversionen, Interface- und Bedienkonzepten sowie individuellen Konfigurationen und Nutzungsweisen gerecht werden kann, um damit den Zusammenhang und die Dynamik zwischen Mensch, Musik, Technik und Gesellschaft zu beschreiben.

 

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Esther Morales-Canadas (Apolda): Elemente griechischer und arabischer Musik im Spanien der drei Kulturen

 

In den letzten Jahren wurde eingehend die Tradition der música andalusí untersucht, die in einigen arabischen Ländern mündlich weiter gelebt hat. Eine Reihe von Forschungsartikeln und Büchern hat versucht zu zeigen, dass die Musik im mittelalterlichen Spanien durch die arabische Invasion eine wesentliche Prägung erhalten hat. Man sah darin eine Parallele zur Lyrik, für die die Philologen im Falle der Gedichtformen zéjel und jarcha diese Schlussfolgerung bereits gezogen hatten.

Ausgeblendet wurde dabei jedoch die schwergewichtige Präsenz der Kultur der griechisch-römischen Antike in den Schriften der Philosophen und Theoretiker der hispano-römischen Bevölkerung, und, noch gravierender, man ließ außer Acht, dass arabische und jüdische Theorie, die Lyrik, aber auch der Lebensstil der verschiedenen Bevölkerungsgruppen gleiche Wurzeln hatten.

Das Problem der fehlenden schriftlichen Musiküberlieferung stellt natürlich ein Hindernis dar. Jedoch kann man an Hand der christlichen und arabischen Traktate zeigen, wie tief die Musiktheorie der Antike in der Musik des arabischen Spanien verankert ist.

Schon der Heilige Isidor von Sevilla (6./7. Jahrhundert) verfasste eine Studie über die Musik auf der Grundlage römischer Erkenntnisse in seinen »Ethymologien«. Gleichzeitig erlebte Spanien in den ersten Jahrhunderten nach Christus die Einwanderung byzantinischer Bevölkerung. Sie brachte die hellenistische Kultur, zusammen mit orientalischen Einflüssen.

Als die Muslime im 7. Jahrhundert Spanien erreichten, war das musikalische Substrat in gewissem Maße bereits definiert. Diese Tradition wurde in der Zeit der Umayyaden und besonders im 8./9. Jahrhundert durch das Wirken des berühmten Sängers Ziryab vervollständigt, der Schüler von al-Farabi und Avicenna war, die den Lehren des Ptolemäus und der neoplatonischen Schule folgten. Es entstand ein Kunststil, der besonders prägend für die spanische Musik und Lyrik dieser Zeit sein sollte.

In diesem Referat werden die kontrastierenden Elemente und ihre Wirkung in den verschiedenen Gattungen betrachtet und an Hand der Literatur ihrer und späterer Zeit erklärt.

 

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Christian Storch (Göttingen): Musik zwischen Missionierung und staatlicher Propaganda. Der Einfluss der portugiesischen Musikkultur in Südostasien im 16. und 17. Jahrhundert

 

Das 16. Jahrhundert und Teile des 17. Jahrhunderts gelten gemeinhin als das »portugiesische goldene Zeitalter«. Entdeckungen und Eroberungen machten das kleine Königreich auf der iberischen Halbinsel zu einer Weltmacht. Musik spielte dabei nicht nur im höfischen Kontext eine wichtige Rolle. Gerade die portugiesischen Missionsunternehmungen der Franziskaner und später auch der Jesuiten nutzten Musik gezielt, um in den eroberten Gebieten die einheimische Bevölkerung zum katholischen Glauben zu bekehren.
Das vorliegende Referat widmet sich dem musikalischen Einfluss Portugals auf seine kolonialen Zentren Süd- und Südostasiens in Goa, Malakka, Macau und Ost-Timor, hier insbesondere den Aktivitäten der katholischen Kirche und ihren assoziierten Missionsgesellschaften und Bruderschaften. Kirchenbauten waren in allen Kolonien und den dortigen städtischen Zentren obligatorisch; dass darin musiziert wurde, ebenfalls.
Ziel der Ausführungen ist aufzuzeigen, dass die Kolonialmacht Portugal musikalisch einen nachhaltigen Einfluss auf die eroberten Gebiete Südostasiens ausübte, der allerdings im Verlauf des 17. Jahrhunderts durch die Erfolge der Holländer und Briten immer mehr zurückgedrängt und damit auch religiöse Stellvertreterkonflikte in Südostasien zwischen Katholiken, Protestanten und Anglikanern ausgefochten wurden. Welche Rolle dabei Musik als Medium missionarischer und staatlicher Propaganda spielte oder gespielt haben mag – die Quellenlage weist hierzu einige Lücken auf –, soll im vorliegenden Referat versucht werden zu erörtern.
Das Referat ist Teil eines Habilitationsprojekts, das innerhalb der Forschergruppe »Musik, Konflikt und der Staat« am Musikwissenschaftlichen Seminar der Georg-August-Universität Göttingen erarbeitet wird.

 

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Gilbert Stöck (Leipzig): Tendenzen zeitgenössischer Musik in Portugal in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

 

Die Musikgeschichte Portugals steht, wie sehr viele literarische, musikalische und andere kulturelle Tendenzen, oftmals im mächtigen Schatten Spaniens. Ein internationaler musikwissenschaftlicher Diskurs über genuin portugiesische Entwicklungslinien, ästhetische und stilistische Wechselwirkungen mit anderen Staaten bzw. Bestrebungen, sich von solchen Entwicklungen bewusst abzusetzen, fehlt bislang. Die wissenschaftliche Beachtung der Szene zeitgenössischer Musik bildet hierbei, analog zu anderen Ländern, ein besonderes Forschungsdesiderat. Ausführlichere Publikationen, wie die Dissertation von Francisco Monteiro (The Portuguese Darmstadt Generation - The Piano Music of the Portuguese Avantgarde, Dissertation Sheffield 2002) bilden hierbei die Ausnahme, könnten aber als Grundstein für eine nähere Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik in Portugal dienen.

Das Referat bietet Einblicke in das Schaffen von Komponisten wie beispielsweise Jorge Peixinho, António Victorino d'Almeida und Sérgio Azevedo, und setzt die unterschiedlichen kompositorischen und stilistischen Entwicklungen in Beziehung zu den besonderen politischen Verhältnisse des Salazarismus. Zudem soll beleuchtet werden, auf welche Art und Weise die Überwindung der Diktatur im Jahre 1974 das kompositorische Schaffen der achtziger und neunziger Jahre prägte.

 

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Stefan Gasch (Wien)/ Rebecca Wolf (Berlin): Zwischen Musik und Geräusch: Szenen vom Sound der Schlacht

 

Die klangliche Dimension eines kriegerischen Geschehens trifft das menschliche Ohr ebenso wie jedes akustische Ereignis in besonders unmittelbarem Maß, so dass Musik und Geräusch seit jeher eine zentrale Rolle in (realen und fiktiven) Kampfsituationen spielt. Spätestens seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert gibt es denn auch Kompositionen mit der Absicht, Schlachten musikalisch darzustellen. Aber erst im Zusammenhang mit dem aufkommenden Interesse an deskriptiven Chansonkompositionen und der außergewöhnlichen Rezeptionsgeschichte von Clément Janequins La guerre/La bataille de Marignan etabliert sich die Gattung der »Battaglia«, die schließlich – trotz des vermeintlichen Gegensatzes – nicht selten Verwendung im religiösen Kontext findet (erinnert sei etwa an den Kampf zwischen Himmel und Hölle oder die Schilderungen des Jüngsten Gerichtes im Dies irae des Requiems).

Bisher standen vor allem Beobachtungen zur Gattungsentwicklung oder verschiedene Aspekte der Konzeption musikalischer Schlachten im Vordergrund. Der Vortrag möchte hier nun einen Schritt weiter gehen und die bisherigen Forschungserkenntnisse mit der Eigenklanglichkeit und der Geräuschwelt des kriegerischen Geschehens konfrontieren. Hierzu scheint es sinnvoll, eine Sensibilität für die Geräuschhaftigkeit der akustischen Umwelt zu entwickeln sowie Theorien zu Lärm und Klanglandschaften mit einzubeziehen. Die Untersuchung von symbolischer Bedeutung akustischer Phänomene führt zudem zum Kontext des verwendeten Instrumentariums. Hatte bereits Athanasius Kircher in seiner Neuen Hall- und Thon-Kunst 1684 Gedankenexperimente zur taktischen Verwendung von Signalinstrumenten angestellt, so wäre zu fragen, ob die Extremsituation der Schlacht eine besondere Nutzung der Musikinstrumente erfordert und schließlich auch, ob die reale Gewalt zu Komposition und Affektgestaltung veranlasst.

 

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Hyesu Shin (Seoul): Parallelwelten? Das Eigene und das Fremde in der Musik Koreas

 

Die Geschichte der Musik westliocher Prägung beginnt in Korea Ende des 19. Jahrhunderts. Vergleichbar mit der Schnelligkeit der Modernisierung des Landes nach dem Vorbild des Westens wurde auch die zunächst passive Rezeption, dann eine selbstbestimmende Entwicklung westlicher Musik vorangetrieben. In diesem Vortrag wird der Rezeptionsprozess westlicher Musik in Korea an einigen beispielhaften Ereignissen historisch nachgezeichnet. Es wir ein kritischer Überblick darüber geboten, wie Korea in nur etwa 120 Jahren (ca. 1880 - 2000) die mehr als 2000 Jahre währende Geschichte der westlichen Musik hat rezipieren müssen.

Diese Einführung war mehr oder weniger von Koreanern selbst gewollt, aber eine Konfrontation mit der eigenen Musikkultur war unausweichlich. Während westliche Musik aktiv rezipiert wurde, legten traditionelle Musiker mehr Wert auf die Bewahrung der eigenen Tradition. Das mag einer der Gründe gewesen sein, warum westliche Musik in der Musikkultur Koreas immer mehr die führende Rolle spielen konnte. Und obwohl es von Anfang an Versuche gegeben hatte, eine Synthese aus den beiden Musiksprachen zu schaffen, blieben sie voneinander getrennt, was sich heute auch darin manifestiert, dass mit »Musik« sowohl »Yang-ak« als auch »Guk-ak«, mit anderen Worten »westliche Musik« auch als »Musik des Landes« bezeichnet wird.

Aber heute, mit einer jungen Generation, die es ablehnt, dualistisch zu denken, sind in allen Bereichen der Musik Anzeichen sichtbar, die einen Paradigmenwechsel ankündigen. Ob es ihr gelingen könnte, neue Möglichkeiten für das 21. Jahrhundert zu eröffnen? Auf diese Frage eine Antwort zu versuchen, damit wird diese Vortrag abgeschlossen.

 

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In-Shun Shin (Seoul): Per »Rezeption« ad »Evolution« in Werken koreanischer Komponisten

 

In diesem Vortrag werden einige ausgewählte Musikbeispiele von koreanischen Komponisten analysiert und damit konkretisieren, welchen historischen Prozess koreanische Komponisten durchgemacht haben, um eine Musiksprache zu schaffen, mit der sie nicht nur in Korea verstanden werden können, sondern mit der gesamten Welt kommunizieren möchten.

In der ersten Phase der Rezeption westlicher Musik haben Komponisten wie Hong, Nan-pa (1898-1941), Kim, Dong-Jin (1913-2009) und La, Unyung (1922-1994) Lieder geschrieben, deren Texte einen »koreanischen Geist« enthielten, deren Melodien jedoch einen Kompromiss aus westlicher Tonalität und traditionellen koreanischen Tonsystemen darstellten. Doch bald begannen Komponisten wie Yun, Isang (1917-1995), Kim, Soon-Nam (1917-1986) und La, Unyung durch eine intensivere Verwendung traditioneller Elemente Musik zu schreiben, die sich in ihren wesentlichen Eigenschaften von der westlichen Komponisten unterscheiden sollte. Einen anderen Versuch unternahm zum Beispiel La, Unyung, der eine Theorie schuf, die die harmonische Fortschreitung von der melodischen Linienführung bestimmt sein lässt. In den 1980er Jahren, die von einer tiefgreifenden Diskussion darüber geprägt waren, wie die traditionelle Musik in der westlichen Musiksprache weiterentwickelt werden könnte, komponierten Lee, Geon-Yong (1947- ), Yi, Man-Bang (1945- ), Hwang Byungki (1936- ) u.a., die sowohl in westlicher als auch in traditioneller Musik ausgebildet waren, für »verwestlichte« traditionelle Instrumente und versuchten über diesen Weg eine Verschmelzung der beiden Musiksprachen.

Solche und andere kompositorische Versuche zielen letztlich darauf hin, über die engen Grenzen einer »Nationalmusik« hinausgehend, eine der Zeit und den koreanischen Verhältnissen angemessene Musik zu schaffen.

 

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Oyeon Kwon (Seoul): Untersuchungen zu Veränderungen im Tonsystem der traditionellen koreanischen Musik durch den Einfluss westlicher Musik und deren Auswirkung auf ihre Zukunft

 

Westliche Musik, die in Korea seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt wurde, hat heute fast die traditionelle verdrängt, sodass Koreaner unter dem Begriff »Musik« zuerst an westliche, und nicht mehr an die eigene denken. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass es im Alltag auch mehr Gelegenheiten und Möglichkeiten gibt, westliche Musik zu hören. Man könnte fast sagen, dass Koreaner mehr und mehr ihre eigene Musikkultur vergessen. Die Musiker traditioneller Musik wachsen  auch wie alle anderen in einer Umgebung auf, in der sie leichter westliche, als koreanische Musik zu hören bekommen, lernen an Schulen Beethoven und Mozart und sind auch heute täglich von westlicher Musik umgeben. Daher ist es auch ihnen nicht leicht, die Eigenschaften der traditionellen koreanischen Musik zu bewahren. Das zeigt sich u.a. an den Veränderungen des traditionellen Tonsystems. Nach einigen Studien sollen junge Musiker ihre traditionellen Instrumente fast nach der wohltemperierten Stimmung spielen, ohne dass das ihnen bewusst ist.

In diesem Referat wird die Untersuchung über das von den traditionellen Musikern gegenwärtig genutzte Tonsystem (bzw. Intervalle) durchgeführt. Die Entfernung zwischen dem gegenwärtig genutztem Tonsystem und dem Tonsystem der ursprünglichen Art deutet darauf hin, dass die traditionelle Musik Koreas dabei ist, einen grundsätzlichen Wandel durchzumachen. Aus diesem Grund könnte man sagen, dass die traditionelle koreanische Musik durch die Einführung westlicher Musik in eine Identitätskrise geraten ist. Aber diese Krise könnte als Neubeginn oder Notwendigkeit begriffen werden, die es der traditionellen Musik erlaubt, aus ihrer hermetischen Isolation auszubrechen und auf die Bedürfnisse junger Koreaner, die mit westlicher Musik vertrauter sind, einzugehen und darüber hinaus mit westlicher Musik eine neue Verschmelzung eingehen.

 

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Hee Ju Ham (Seoul): Gegenwart und Zukunft der schulischen Musikerziehung in Korea

 

Als in Korea zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine systematisierte Schulerziehung nach dem Vorbild des Westens eingeführt wurde, war die Musikerziehung hauptsächlich an westlicher Musik und westlichen Erziehungsmethoden orientiert. Ihr Anteil nahm während der japanischen Kolonialherrschaft verstärkt zu, weil Japan eine Politik betrieben hatte, die die koreanische Kultur ausrotten sollte, und daher die Verbreitung westlicher Musik systematisch gefördert hatte. Dies führte dazu, dass traditionelle koreanische Musik nicht nur aus dem Lehrplan der Schulen verschwand, sondern auch allmählich dem Volk entfremdet wurde – mit gravierenden Folgen. Denn auch nach 1945 wurde an Schulen hauptsächliche westliche Musik unterrichtet, und dieser Lehrplan wurde bis Ende der 1970er Jahre in seinen Grundzügen beibehalten. Erst in den 1980er Jahren wurde das politische Bewusstsein für den Schutz der eigenen Kultur geschärft, so dass der Anteil traditioneller Musik am Lehrplan immer weiter zunehmen konnte. Die 1998 zum 7. Mal revidierte Fassung des Lehrplans für die Primar- und Sekundarstufen schreibt den Anteil traditioneller Musik auf 33,4% fest.

Der Vortrag wird an den drei Aspekten »musikalische Identität“, »Musikkultur« und »Musik im Alltag« darlegen, mit welchen Problemen die Schulerziehung Koreas konfrontiert ist, aber auch welche Veränderungen zur Zeit beobachtet werden können. Es soll eine kritische Abrechnung mit der »westlichen« Musikerziehung an koreanischen Schulen (Primar- und Sekundarstufen) sein und gleichzeitig eine behutsame Hypothese darüber darstellen, welcher Wandel gerade aufgrund solcher Probleme herbeigeführt werden könnte, den die heutige Zeit erfordert, die durch »Globalisierung« auf der einen und von »Regionalisierung« auf der anderen Seite gekennzeichnet ist.

 

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Hee Sook Oh (Seoul): Suche nach einer neuen Identität - Die Tendenzen neuerer Musikforschung in Korea

 

In der Rezeption westlicher Musik in Korea stand das Instrumentspiel stets im Zentrum. Erst in den 1980er Jahren beginnt mit der Rückkehr derjenigen, die im Ausland Musik nicht als praktisches, sondern als wissenschaftliches Fach studiert haben, die eigentliche Geschichte der westlich geprägten Musikwissenschaft. In diesem Referat soll ein Überblick über diese Geschichte der koreanischen Musikforschung gegeben werden, wobei die Kontur einer neueren Forschungstendenz im 21. Jahrhundert sichtbar gemacht werden soll.

Die musikwissenschaftliche Arbeit in Korea lässt sich in zwei große Strömungen unterteilen. Die eine Strömung entspringt aus jenen Wissenschaftlern, die im Anschluss an Methoden und Ergebnisse westlicher Musikwissenschaft arbeiten. Die andere Strömung bilden Wissenschaftler, die aus dem nationalen Kontext heraus nach einer Möglichkeit suchen, eine »koreanische Musikwissenschaft« zu begründen.

Während diese beiden Tendenzen von der ersten Stunde an nebeneinander existierten, wurde inzwischen an einigen Universitäten ein musikwissenschaftliches Fach eingerichtet. So hat sich die koreanische Musikforschung sowohl quantitativ als auch qualitativ seit den 1980er Jahren rapide entwickeln können.

Heute gibt es aber immer mehr Versuche, die Trennung zwischen den oben genannten beiden Tendenzen zu überwinden und gleichsam nach einem »dritten Weg« zu suchen. Langsam sieht man keinen Sinn mehr darin, sich ausschließlich mit der eigenen nationalen Identität auseinanderzusetzen, und man begnügt sich auch nicht mehr damit, unreflektiert mit der Forschung im Westen verbunden zu bleiben. In diesem Referat werden diese neueren Tendenzen in der koreanischen Musikforschung vorgestellt und anschließend wird es der Frage nachgehen, welchen Weg die koreanische Musikforschung in diesem Jahrhundert einschlagen sollte.

 

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Daniel Siebert (Berlin): Adaptionen der jamaikanischen Ska-music durch die Subkultur der Skinheads in Großbritannien

 

»Globalisierung« wird immer wieder als Kennzeichen der Gegenwart begriffen. In meinem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, wie sich globale Vernetzungen auf musikalische Formen und die durch Musik transportierten Ideologien auswirken. Dazu greife ich das Beispiel der Ska-music heraus. Eine beachtenswerte Transformation der jamaikanischen Ska-music geschah unter dem Einfluss einer neuen Umgebung auf den britischen Inseln in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die durch Migration jamaikanischer Gastarbeiter in das Vereinigte Königreich überlieferte Ska-music wurde von der Subkultur der Skinheads adaptiert und in einen neuen kulturellen Kontext gesetzt. Diese transkulturelle Verbindung, einhergehend mit einer neuen transnationalen Identität, muss im Kontext der ökonomisch bedingten Migrationswelle und im globalen Kontext einer sich wandelnden Musikkultur gesehen werden.

Abgesehen von den inhaltlichen Bezugnahmen auf die wachsende Skinhead-Bewegung war die Ska-music der jamaikanischen Einwanderer in Großbritannien zunächst größtenteils immer noch von den bereits auf Jamaika entstandenen Thematiken und musikalischen Parametern besetzt. Dennoch wurde sie zum musikalischen Identitätsmerkmal der überwiegend weißen und arbeiterklassenspezifischen Subkultur der Skinheads und führte hier zu einer Entkontextualisierung und auch musikalischen Veränderung. Die Globalisierung hat hier geradezu einen musikalischen Stil erschaffen. Ich möchte darstellen, wie die Verbindung zustande kam und welche ideologischen Schwierigkeiten aber auch Parallelen zwischen den jamaikanischen Gastarbeitern und den Skinheads auszumachen sind.

 

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Martin Lücke (Berlin): Der Niedergang der Klassikindustrie!?! - Eine Bestandsaufnahme

 

Musik hört man faktisch überall. Egal ob im Auto, im Kaufhaus, natürlich auch zu Hause oder dank iPod & Co. auch jederzeit unterwegs. Selten wurde soviel Musik – jedoch meistens passiv – konsumiert wie in der heutigen Zeit. Gleichzeitig befindet sich die gesamte Musikindustrie seit 1999 in ihrer wohl schwersten wirtschaftlichen Krise. Ausgelöst durch die Digitalisierung und das Internet leiden die Tonträgerhersteller seit knapp zehn Jahren unter massiven Umsatzverlusten. Gleichzeitig können jedoch die Veranstaltungswirtschaft, der Bereich Merchandising  oder auch das Musiksponsoring seit einiger Zeit steigende Umsätze verbuchen.

In meinem Vortrag wird die Frage erörtert, mit welchen konkreten Problemen die Klassikindustrie durch die aufkommende Digitalisierung in den letzten Jahren zu kämpfen hat, worin die Ursachen zu sehen sind, aber auch, welche Chancen sich daraus für die Zukunft der gesamten Branche ergeben können. Denn, Fakt ist, der Anteil der klassischen Musik am gesamten (deutschen) Tonträgermarkt ist im letzten Jahrzehnt – auf niedrigem Niveau – konstant geblieben und 2009 sogar um zehn Prozent gestiegen!

 

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Nils Grosch (Freiburg): Mobile Musik: theoretische und mediengeschichtliche Umrisse

 

Die Mobilität klanglicher und insbesondere musikalischer Phänomene wird von der jüngeren Technikgeschichte, den urban studies nicht zuletzt aber auch den popular music studies, in kausalen oder zumindest hypothetischen Zusammenhang mit der Entwicklung von Tertiärmedien, dem so genannten Versprechen der Mobilität der Reproduktionstechnologien des 20. und nicht zuletzt des 21. Jahrhunderts gebracht. Insbesondere mp3-Player und iPod scheinen es ermöglicht zu haben, dass, wie Michael Bull ausführt, »for the first time in history the majority of citizens in Western culture possess the technology to create their own private mobile auditory world wherever they go«.

So verständlich es aber aus der Perspektive von Autorinnen und Autoren des 20. und 21. Jahrhunderts erscheint, die eigenen Erfahrungen von technischen Entwicklungen und Geräten, insbesondere innovativen Kommunikationstechnologien, zu pointieren, so ausschlaggebend hat es sich in den vergangenen Jahren gezeigt, derartige Erfahrungen zu einer angemesseneren Bewertung im Kontext weiterreichender medien- bzw. informationshistorischer Prozesse zu analysieren.

Der Vortrag möchte, im Hinblick auf mediengeschichtliche Entwicklungen der Musik bis zurück zum 16. Jahrhundert, zeigen, dass hier anstelle einer Fokussierung auf Musik in Tertiärmedien, sinnvoller erscheint, das Phänomen der Mobilen Musik, wie sie anhand schon frühneuzeitlicher Kleindrucke oder in Form von Drehorgeln und mobilen mechanischen Musikspeichern in vergleichbaren Kontexten wie die Musik heutiger digitaler Musikbibliotheken nachweisbar ist, mit theoretischen Vorgaben und Charakteristika analysieren, die eine historische Betrachtung gewinnbringend werden lassen.

 

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Nora Krahl (Essen): Wie Emotion Struktur formt. Zur Sprachverwendung in früher elektronischer Musik in Italien.

 

Gegenstand meines Vortrages sind die elektronischen Werke Visage (1961) von Berio und Dimensioni II, Invenzione su una voce (1959/60) von Maderna, beide komponiert im Studio di Fonolgia della RAI Milano. Die Komponisten beschäftigten sich hier vorrangig mit der Verarbeitung von Sprachklängen/Phonemen bzw. emotional geprägten menschlichen Lauten wie Lachen, Heulen oder Schreien.

Berio und Maderna arbeiten einerseits mit emotionalen »Bedeutungen« menschlicher Äußerungen, – sie rufen durch das Fehlen einer abstrakten Sprache sehr intensive Konnotationen hervor – setzen diese aber andererseits in Hinblick auf Klangfarben und Hüllkurven in solcher Art ein, dass sie strukturelle Grundlagen für formale Aspekte bieten. Auditive Analysen werden zeigen, wie die Komponisten diese unterschiedlichen Charakteristiken der einzelnen Klangobjekte in Hinsicht auf globale Strukturen verwenden.

 

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Andreas Domann (Berlin): Deutschsprachige Musikwissenschaft und New Musicology. Aspekte einer transatlantischen Kommunikationsverweigerung

 

Seit Mitte der 1980er Jahre und mit dem Erscheinen von Joseph Kermans Contemplating Music hat sich in den USA die New Musicology als ein fester Bestandteil der amerikanischen Musikwissenschaft etabliert. Emphatisch beansprucht sie für sich, der eigentliche Urheber einer primär hermeneutisch ausgerichteten Methode zu sein, die auf der Semantisierung oder der sozio-kulturellen Kontextualisierung musikalischer Strukturen basiert, die bisher nur als autonome verstanden worden seien. Obgleich in Deutschland die New Musicology zur Kenntnis genommen wurde, kann kaum davon die Rede sein, dass ein größeres Interesse an ihren Ergebnissen je entstanden wäre oder ihre Methoden gar inspirierend auf deutsche bzw. deutschsprachige Musikwissenschaftler gewirkt hätten.

Diese Ausgangslage provoziert zwei teils ineinander verschränkte Fragestellungen: Zum einen wäre zu untersuchen, inwiefern die New Musicology zu Recht ihren Zugriff auf die Musikgeschichte und ihre Analysemethoden als etwas anpreist, das sich von bisherigen Ansätzen in der Musikwissenschaft eindeutig absetzt. Zum anderen lässt die Reserviertheit gegenüber der New Musicology diesseits des Atlantiks die Frage virulent werden, ob etwa in der Geschichte und der Verfasstheit der deutschsprachigen Musikwissenschaft die Ursachen dafür zu finden sind, weshalb die New Musicology wenig attraktiv erscheint.

 

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